SaschaSalamander

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Tag: Krimi

Todesblüten

rylance_todesblueten_1_1.jpgINHALT

Clara und ihre Freundin Melanie wollen gemeinsam Urlaub im Spreewald auf dem Hausboot der Tante machen. Dummerweise muss Melanie ihren Freund Alex mit anschleppen, und der hat auch noch den schweigsamen David im Schlepptau! Clara will keine Spielverderberin sein, auch wenn sie lieber mit Melanie alleine gewesen wäre. Der Urlaub wird immer mehr zur Katastrophe, die Jungs benehmen sich schrecklich. Und dann finden die vier plötzlich auch noch eine Leiche! Clara hatte dieses Mädchen schon einige Male am Bahnhof und in der Nähe des Hausbootes gesehen, hat etwa David etwas damit zu tun? Warum verhält sich der Nachbar auf dem anderen Boot so seltsam? Und wer ist dieser verrückte Taucher, der sie alle zu beobachten scheint?


CHARAS

Die Charaktere finde ich für einen Jugendroman sehr realistisch und gut ausgebaut. Erzählt wird aus der Ich-Perspektive Claras, die jedoch auch die anderen Protagonisten und Nebencharaktere sehr gut darstellt. Da sie etwas frustriert ist von der gegenwärtigen Situation, ist sie eher stille Beobachterin, sodass der Leser durch sie einen guten Blick auf das gesamte Umfeld erhält. Über das Privatleben, den Schulalltag, die Vergangenheit der vier Jugendlichen erfährt man nichts, das ist auch nicht relevant. Dafür ist das geschilderte Verhalten sehr eindrücklich und verdeutlicht sehr schön die jeweilige Gesinnung, macht schnell klar, wer sympathisch ist und wer nicht. Je nach bisherigen Erfahrungen wird da jeder Leser wohl auch schnell seine eigene Schlüsse ziehen, was ich sehr angenehm finde. Das Buch lässt in vielen Dingen einen gewissen Spielraum eine gewisse Interpretation frei, z.B. der Umgang zwischen Alex und Melanie, der sehr konfliktreich ist und Stoff für viele weiterführenden Diskussionen bietet. Der Leser findet sehr schnell den Zugang zu Clara und fühlt mit ihr.


GENRE, AUFBAU

Das Buch ist eindeutig ein Jugendkrimi. Trotzdem liegt die Betonung angenehmerweise stärker auf Jugend als auf Krimi. Der Fall wird nicht aufgebauscht, es wird kein unnötiges Blut vergossen, es wird keine Gewalt zelebriert. Nach dem Fund der Leiche gibt es keine endlosen Berichte über Polizeiarbeit, Verhöre oder Ermittlungen. Sondern die Teenager können zurück auf das Boot, sie wollen ihren Urlaub beenden. Und der Mord hängt stets über ihnen, vergiftet das Zusammensein und lässt Claras Angst stetig wachsen.

Die Spannung steigert sich kontinuierlich: es beginnt mit dem schlichten Frust über die ungewollten Gäste. Dann beginnt sich Clara über das Verhalten des aggressiven Alex und des schweigsamen David zu ärgern. Dann die Leiche. Und immer mehr Beobachtungen lassen den Leser die Gefahr erahnen, in der die Mädchen schweben. Seltsame Personen, ungewöhnliche Beobachtungen, geheimnisvolle Hinweise, gruslige Funde. Selbst harmlose Dinge scheinen plötzlich eine Bedrohung zu werden und lassen den Leser angespannt die Luft anhalten. Stetig kleine Ereignisse treiben die Handlung voran, sodass man das Buch nicht mehr weglegen möchte. Bis hin zum Showdown, an dem sich endlich alles aufklärt.


REGIONALES

Der Roman spielt im Spreewald. Ich war noch nie dort und kenne die Region nicht. Aber TODESBLÜTEN macht definitiv Lust auf Urlaub! Zu gerne wäre ich mit auf dem Hausboot, würde die Landschaft erleben, die kleinen Kanäle entlangpaddeln und einfach einmal abschalten vom Alltag. Aber auch die unschönen Seiten werden angesprochen: die Mückenplage, und zum Baden ist es wirklich nicht geeignet bei all den Grünpflanzen, der Umweltverschmutzung und dem morastigen Wasser ... trotzdem, jetzt hab ich "Fern"weh ;-)


SPRACHE

Die Sprache ist Jugendlichen entsprechend gehalten. Nicht anbiedernd lässig, aber doch vereinzelte Worte und Formulierungen, die man in regulärer Schriftsprache nicht findet, die jedoch klar der Sprache Claras entspringen. Zum Beispiel "die Sonne knallt herunter" oder "wir waren klitschnass", "die beiden waren nicht gut drauf" oder "Melanie hatte unbedingt mitgewollt". Das ist nicht falsch aber eben keine gehobene Sprache. Es liest sich sehr flüssig, so als würde Clara ihre Geschichte persönlich erzählen. Ich kann mir vorstellen, dass das gerade in einem Hörbuch sehr gut ankäme, z.B. vorgetragen von Marie Bierstedt oder Laure Maire.

In der wörtlichen Rede ist diese den entsprechenden Charakteren angepasst. Leon der Schriftsteller hat natürlich eine andere Sprache als der genervte Nachbar. Oder gar als Alex, der stolz darauf ist, keine Bücher zu lesen. Auch tauchen gelegentlich typische Alltagsfehler auf wie etwa "das Handy von dem Typen", was in der entsprechenden Situation der wörtlichen Rede prima ist. Ich mag es, wenn ohne künstlichen Dialekt oder aufgesetztes Pseudo-Cool die Sprache in Dialogen auf eine Weise realistisch gehalten ist, als würde man tatsächlich einem echten Gespräch lauschen.


FAZIT

TODESBLÜTEN ist ein spannender Krimi, der sich vor allem an Jugendliche richtet. Eine Teenie-Clique, ein gefährliches Abenteuer und Urlaubsfeeling. Das ideale Buch, um dem Alltag zu entfliehen: man möchte direkt in das Buch schlüpfen und Clara Gesellschaft leisten. 

SaschaSalamander 05.03.2012, 09.17 | (0/0) Kommentare | PL

Volltreffer

arnold_volltreffer_1_1.jpgArthur war zeitlebens von Beruf Sohn. Sein Vater ein reicher Bestsellerautor, der ihn stets finanziell unterstützte und der ihm nach seinem Ableben ein Millionenerbe hinterlassen hat. Arthur teilt sich dies monatlich vernünftig ein, und sein Leben ist recht belanglos, ja regelrecht langweilig. Fast wünscht er sich etwas Abwechslung. Bis er eines Tages soviel davon bekommt, dass er sich zurücksehnt. Denn binnen einer Woche geht bei ihm nun alles drunter und drüber. Eine Traumfrau zieht in das Haus gegenüber, deren Mann prügelt sie und verleitet Arthur zu Heldentaten (die natürlich gründlich schiefgehen). Seine Lieblinsprostituierte ist auf einmal in einem Fernsehbericht über das russische Militär zu sehen. Ein Filmteam ist an den Rechten für eines der Bücher seines Vaters interessiert und ganz besonders an etwaigen Schatzkarten, die dem Buch als Recherche dienten. Dann wäre da noch die Tatsache, dass er von Leuten an Orten gesehen wurde und angeblich Dinge getan haben soll, wovon er jedoch gar nichts weiß. Na, auf SO viel Abwechslung hätte Arthur lieber verzichtet!

Mit Akif Pirincci verbinden die meisten Leser vor allem die Katzenkrimis um den Klugscheißer Francis. Ich selbst sehe in ihm eher einen meiner Lieblingsautoren im Bereich deutscher Phantastik (DIE DAMALSTÜR) und Thriller (DER RUMPF). Sein Stil ist stets flüssig, der Leser wird gut unterhalten. Als Cedric Arnold möchte er sich von dem eher düsteren Grundton der anderen Bücher lösen und zeigen, dass er hier etwas anderes schreibt.

Mit VOLLTREFFER hat der Autor ein Buch erschaffen, das mich von der ersten Seite an begeistert hat. Wie immer bei Pirincci. Er gehört für mich zu denen, die ihre Kreativität auf verschiedene Bereiche auszudehnen vermögen. Das Können erschöpft sich nicht in einem Genre, wo manch ein erfolgreicher Bestsellerautor den zigsten Krimi des immer wieder gleichen Strickmusters veröffentlicht. Und das ist es, was er unter anderem hier auch geschickt aufs Korn nimmt:

Johannes Silbermann, Vater der Protagonisten war so ein Autor. Bereits bei der Auflistung der von ihm veröffentlichten Titel musste ich schallend lachen, spätestens an diesem Moment war ich dem Roman verfallen. Pirincci / Arnold lässt kein gutes Haar an einigen seiner Kollegen. Mit pfiffiger Pointe karikiert er alles, was Rang und Namen in der Schriftstellerwelt hat(te), auch vor Nobelpreisträgern macht er nicht halt. Es finden sich zwischen den Zeilen gelegentlich Anspielungen auf bekannte Werke der deutschen Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur, die mich still zum Schmunzeln brachten.

Auch die Filmbranche wird gewaltig aufs Korn genommen, Bernd Eichinger darf mit seinem Namen dafür herhalten. Und sogar Di Caprio wird erwähnt und erhält eine  wichtige Rolle in diesem wilden Gerangel um das (vorhandene? Oder nur vermutete?) Nazigold.

Ich denke, auch ohne Hintergrundwissen um die deutsche Geschichte, das Verlagswesen und deutsche Autoren sowie das internationale Filmgeschäft kann man den Roman sehr gut lesen. Allerdings entgehen einem dann einige der hintergründigen Pointen, die das Buch in meinen Augen erst so lesenswert machen. Man merkt deutlich, dass Pirincci eine Ahnung hat, wovon er da schreibt.

Arthurs Städtchen wird ebenfalls prima dargestellt. Immer wieder hatte ich das Gefühl "hey, das ist genau das Kaff, in dem ich aufgewachsen bin". Das italienische Lokal mit türkischem Betreiber, die Jägerzäune, die Nachbarschaft, das Verhalten der beteiligten Personen. Messerscharf beobachtet und mit spitzer Feder pointiert. Man meint den Muff des Althergebrachten auf jeder Seite zu riechen: Gesellschaftskritik verpackt hinter der Fassade des kleingeistigen Bürgertums.

VOLLTREFFER beginnt recht beschaulich mit einer Beschreibung des erfolglosen Lebens des Arthur Silbermann. Dieser ist sich seiner Erfolglosigkeit bewusst. Und dann erscheint die neue Nachbarin, die sein Leben aufwühlt. Und kurz darauf gibt es den nächsten Hinweis, dass das langweilige Leben ein Ende hat. Je weiter das Buch voranschreitet, desto absurder werden die Situationen, mit denen der Leser sich konfrontiert sieht.

Es gibt einen Wendepunkt, an dem das Buch vom langweiligen Trott in die bodenlose Absurdität abdriftet. Kurz vor diesem Punkt wollte ich das Buch fast abbrechen: Denn in einigen wenigen Fällen tut ein Buch oder Film mir so weh, dass ich nicht weiterlesen kann. Das Geschehen des Plots schmerzt meiner Seele, meinen Prinzipien, der Menschlichkeit in mir, und wenn jemand zusehr leidet oder zuviel Schlimmes geschieht, dann ist das für mich in den Medien schwer auszuhalten.

Was Arthur angetan wurde, hatte er beileibe verdient, soviel Dummheit gehört bestraft, aber trotzdem war das Lehrgeld schon sehr heftig (der prügelnde, eifersüchtige, türkische Ehemann war nicht gerade sehr zimperlich, und Arthur steckte wortwörtlich sehr tief in der Sch****). Doch direkt im Anschluss an diese Szene kommt die Wende, und ab da geht alles drunter und drüber. Man kann das Geschehen nicht mehr für bare Münze nehmen, es ist einfach zu absurd, was dann geschieht. Der Showdown glänzt mit unzähligen Leichen und einer Menge doppelter Identitäten, alles entpuppt sich als große Lüge und dicke Show. Pirincci persifliert  erbarmungslos alles, was nicht rechtzeitig fliehen kann. Sogar sein eigenes Buch, indem er am Ende verschiedene Varianten des Epilogs schreibt: ein normales, ein konservatives, ein völlig durchgeknalltes Ende. Und ein Hollywood-Ende. Ende gut, alles gut.

Alles in allem ist VOLLTREFFER eine brillante Krimi-Groteske. Der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund und schont niemanden.Top Empfehlung für alle Freunde des schwarzen Humors!

SaschaSalamander 02.03.2012, 09.58 | (0/0) Kommentare | PL

Cedric Arnold

arnold_volltreffer_1_1.jpgDerzeit lese ich VOLLTREFFER von "Cedric Arnold". Wer Cedric ist? Hier seine Biographie, wie sie im Buch abgedruckt ist:

Cedric Arnold wurde am 23. November 1977 in Waldbröhl im Oberbergischen Land geboren. Er litt als Kind unter unterschiedlichen nervösen Störungen, deren Namen zu lang sind, um sie alle in diesem Text unterzubringen. Nach dem Abitur studierte er Parapsychologie und promovierte mit der Arbeit "Unmotiviertes Kichern beim Rentier". Später machte er sich einen Namen als Motivationstrainer, bis ein Betriebsunfall diese Karriere jäh beendete: Er motivierte einen Kursteilnehmer so erfolgreich, dass dieser an einem einzigen Tag fünf Banküberfälle beging. Das vorliegende Werk wurde von führenden deutschen Literaturkritikern für das beste seit der Erfindung des Buchdrucks befunden. Leider zogen diese kurz vor dem Erscheinungstermin ihre Namen wieder zurück.

Wie man merkt,  also ein überaus wichtiges Buch von literarischem Anspruch und von großer Bedeutung für die deutsche Literaturwelt. Trotz des hohen Anspruches liest es sich bisher sehr erheiternd, ich empfehle einen >Blick ins Buch<. Der Humor gefällt mir wie auch in seinen anderen Büchern sehr. Andere Bücher? Ja, Cedric Arnold hat noch mehr veröffentlicht. Gelegentlich - Vorsicht, Geheimnis, nicht weitersagen! - schreibt er auch unter dem Pseudony Akif Pirincci irgendwelche Tierbücher oder plant rein literarisch den perfekten Mord oder philosophiert über eine Gesellschaft ganz ohne Männer. Sogar verfilmt wurden zwei seiner Titel bereits! Zurück zum Humor: hintergründig, schelmisch und eine gekonnte Karikatur der Realität. Oder, besser gesagt: keine Karikatur, sondern eine detailgetreue Beschreibung der Realität, die, wenn man mal ganz ehrlich zu sich selbst ist, eigentlich schon sehr kurios ist. Man muss nur genau hinsehen ;-)

SaschaSalamander 21.02.2012, 13.20 | (0/0) Kommentare | PL

Treffpunkt Tatort 04 - Die Schlange

wolf_schlange_1.jpgVORAB

Die ersten drei Bände von >TREFFPUNKT TATORT< habe ich 2007 bereits gehört. Viereinhalb Jahre etwa ist das her. Ich muss doch sehr schmunzeln, wiesehr sich mein Schreibstil in dieser Zeit geändert hat, heute hätte ich meine Gedanken wohl ganz anders geschrieben. Trotzdem spiegelt der alte Beitrag sehr intensiv das wieder, was mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist. Und dass es auch nach fast fünf Jahren noch immer präsent ist, stellt ein riesiges Lob an den Autor dar! Ich habe einen enormen Durchlauf an Büchern, manche finde ich grandios aber habe sie nach wenigen Wochen wieder komplett vergessen. Nicht so bei Klaus-Peter Wolf, der mit mit FELIX UND DIE KUNST DES LÜGENS und TREFFPUNKT TATORT zwei Serien beschert hat, die für mich persönlich in der Rangliste meiner liebsten Kinderbücher recht weit oben stehen und die mir so präsent erscheinen, als hätte ich sie erst vor wenigen Wochen gehört.


INHALT BAND VIER

Helden der Reihe sind die vier Schüler Tim, Jan, Doro und Lina, die immer wieder in Kriminalfälle verwickelt werden. Im vierten Band DIE SCHLANGE wird Tims Oma von einem Giftpfeil getroffen ins Krankenhaus eingeliefert. Es ist ein Mordversuch in einer Reihe von Angriffen: ein Serientäter schießt auf ältere Frauen und tötet sie mit Schlangengift. Die Polizei tappt lange im Dunkeln, die Kids ermitteln auf eigene Faust. Sie klappern die Zooläden ab, besuchen Sportvereine für Bogenschützen. Was steckt hinter den Morden? Werden die Kids den Fall rechtzeitig lösen, bevor ein nächstes Opfer sterben muss?


WAS IST ANDERS AN DIESER KRIMIREIHE

Obwohl es fast fünf Jahre her ist, dass ich die dritte Folge hörte, war ich sofort wieder mitten im Geschehen, erinnerte mich glasklar an alle Protagonisten. Doch auch ohne die anderen Teile zu kennen, kann man jede Episode für sich hören, die Bände sind in sich geschlossen. Trotzdem genoss ich natürlich das Widersehen mit den vier Freunden und dem Inspektor.

Im Grunde ist es ein Jugendkrimi, wie es viele dieser Art gibt, ob sie sich nun Detektive nennen, Satzzeichen, Bande, Trio, Team, Gang, Freunde oder sich mit den Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen begnügen. Klassischer Ablauf: Ein Verbrechen geschieht, die Kids sind auf irgendeine Weise involviert, ermitteln von sich aus, drehen der Polizei eine lange Nase und lösen den Fall mit Bravour. Trotzdem hebt sich TREFFPUNKT TATORT für mich deutlich von der Masse ab:

Es spielt hier in Deutschland, ist modern und vor allem alltäglich. Die Jugendlichen sind keine überzeichneten Charaktere (man denke z.B. an den Pummel, Computerfreak, durchtrainierten Helden und die pfiffige Tierfreundin), die immer ihrem Rollenklischee gerecht werden müssen. Sondern sie sind eben ganz normale Jugendliche, nicht überzeichnet aber dennoch ausgestattet mit Persönlichkeit und Charakter. Ihre Ermittlungsmethoden sind legal, realistisch und nachvollziehbar. Auch wirkt es nicht, als würden Erwachsene im Körper eines Kindes agieren, sondern ihre Verhaltensweisen, Schlussfolgerungen und Ermittlungsmethoden sind altersgerecht.

Klaus-Peter Wolf ist ein Autor, der junge Menschen ernst nimmt. Er beugt sich nicht gönnerhaft zu ihnen herab, sondern er spricht zu ihnen auf Augenhöhe, ohne sich dabei anzubiedern oder sich cool geben zu wollen. Ich denke, mit TREFFPUNKT TATORT kann man auch Lesemuffel an Bücher heranführen. Denn die Titel sind aus der Erlebniswelt der Zielgruppe geschrieben und bieten auch ohne erhobenen Zeigefinger sehr viel Stoff für Diskussionen.

Normalerweise schreibe ich immer darüber, wie ein Buch ist. Hier schreibe ich fast nur, was das Buch nicht ist. Das liegt einfach daran, dass ich Bücher dieses Genres normalerweise nicht rezensiere, weil sie alle gleich sind und ich den 150ten Band der Reihe nicht mehr vorstellen muss. Hier möchte ich jedoch darstellen, was anders ist, das geht eben ausschließlich durch Vergleiche. Aber gut, es wäre ja auch langweilig, wenn alle meine Rezensionen immer gleich gestrickt wären, oder? ;-)


HÖRBUCH

Ein paar Informationen noch zum Hörbuch: Klaus-Peter Wolf ist der Hauptsprecher, seine Stimme ist sehr angenehm, ich höre ihn gerne. Er liest sehr natürlich, als spräche er gerade statt einen Text abzulesen. Autorenlesungen sehe ich meistens skeptisch, in seinem Fall ist das jedoch ein deutlicher Gewinn für das Buch. Auch Maxi Wolf spricht im vierten Teil der Reihe. Ihre Stimme ist ebenfalls sehr gut für das Hörbuch geeignet. Eine szenische Lesung, bei der sich beide abwechseln, hätte mir allerdings gefallen. Ebenso sie als Sprecherin alleine. Hier jedoch wechselten sich die beiden ab, stellenweise mitten im Track, mitten im Absatz. So spricht also einmal der Mann, ein andermal die Frau die Rolle der Jugendlichen, was anfangs eher verwirrend ist: man neigt als Hörer dazu, bei wechselnden Stimmen diese mit bestimmten Charakteren zu assoziieren. Wenn nun also plötzlich ein Junge mit einer Frauenstimme spricht, ist das gewöhnungsbedürftig. Leider ein kleines Manko, an das man sich aber nach einigen Tracks gewöhnt und das man dann gut übergehen kann ...


FAZIT

Alles in allem kann ich TREFFPUNKT TATORT nur empfehlen, ob nun am Stück oder einen beliebigen Band. Ob nun als Jugendlicher oder als Erwachsener. Wer gerne Serien um jugendliche Detektive liest, der kommt an Klaus-Peter Wolf einfach nicht vorbei!

SaschaSalamander 21.02.2012, 09.38 | (0/0) Kommentare | PL

Lady Bedfort - Das Grauen im Nachtexpress

Lady Bedfort betätigt sich fleißig beim Hausputz. Und gerade, als Tim sie noch warnt, fällt sie von der Leiter und prompt darauf in Ohnmacht. Ab da beginnt die eigentliche Geschichte: die Doppelfolge beinhaltet eine Traumsequent. Hierin begibt sich Dora Spools, eine blinde alte Dame, auf eine Fahrt mit dem berühmten Schattenjäger-Zug, schließt erste Bekanntschaften. Ein verurteilter Mörder befindet sich ebenfalls unter den Passagieren. Und schon geschieht der erste Mord, die Lady beginnt zu ermitteln.

Für die Jubiläumsfolge haben sich die Macher etwas Besonderes einfallen lassen. Nicht nur, dass es sich um eine Doppelfolge handelt, sondern hier werden auch alle Sprecher bunt durcheinandergewürfelt, neu gemischt und in eine ungewöhnliche Handlung gepackt. Sie sind allesamt bekannt: Waltraud Habicht, Jürgen Kluckert, Dennis Rohling, Santiago Ziesmer, Bodo Wolf, Carmen Molinar sind das vertraute Team. Auch die anderen Stimmen waren schon oft zu hören. Bert Franzke, Roland Hemmo, Arianne Borbach und Robert Missler bieten ein Wiedersehen mit alten Bekannten.

Doch neu ist die Rollenveretilung: DAS GRAUEN IM NACHTEXPRESS spielt nicht in der heutigen Zeit wie sonst für Lady Bedfort üblich. In ihrem Traum begibt sich die Dame in die Vergangenheit um 1900. Das bekannte Sprecherteam ist also vorhanden, doch dieses Mal in ungewohnter Besetzung. Miller tritt in ihrem Traum als Priester auf, Tim wird zum ermittelnden Inspektor, und auch sonst steht alles Kopf. Es macht Spaß, dabei ein wenig zu analysieren, was in der Lady unterbewusst vorgehen könnte, dass die Rollen gerade auf diese Weise verteilt sind, aber das wäre dann wohl doch etwas zu weit gegriffen. Dennoch ein netter Spaß für Fans und regelmässige Hörer. Es gibt auch hier und da Anspielungen an die "reale" Lady Bedfort, deren Humor Neulingen sich nicht erschließt und der eher als Bonbon für Fans gedacht ist.

Da es sich bei den Sprechern in LADY BEDFORT um alte Hasen handelt, die teils schon viele Jahre im Geschäft sind und bereits unzählige Rollen verkörperten, ist diese Folge für mich ein kleines Highlight. Alle Beteiligten sind mit Freude bei der Sache und schlüpfen geübt in ihre neuen Figuren, man hört richtig, wie sie darin aufgehen und sich einen Spaß daraus machen, dieses Mal nicht die gewohnten Charaktere zu verkörpern. Besonders Jürgen als Inspektor macht seine Sache herausragend, als hätte er nie etwas anderes gemacht.

Was ebenfalls sofort auffällt ist, dass Max in Form des Zugbegleiters Maxwell Butler dabei ist. Einige freuten sich über das Ausscheiden das Charakters, andere betrauerten Max´ Abschied sehr. Ich gehöre zu denen, die ihn mochten. Eine Lady braucht einen Butler, und Max hat das hervorragend verkörpert, durch sein Auftreten den Folgen einen ganz eigenen Reiz verliehen, den ich seitdem vermisse und dessen Lücke auch Vivien und Tim für mich nicht füllen konnten. So freue ich mich über jede Hommage, sei es ein altes Video oder in dieser Folge die Traumsequenz.

Wer die Serie kennt und die Stimmen mit einzelnen Rollen verknüpft, für den dürfte es anfangs sehr ungewohnt und auch etwas schwierig sein. Man findet jedoch flink den Anschluss und ist dann mitten im Geschehen. Schnell mal nebenbei, wie es bei anderen Folgen gelegentlich möglich ist, darf man DAS GRAUEN IM NACHTEXPRESS allerdings keinesfalls hören. Aufgrund der komplexen Handlung und verwirrenden Auflösung ist es sinnvoll, die Folge mindestens doppelt zu hören. Die vertauschten Stimmen, die vielen Charaktere und vor allem deren Mehrfachidentitäten auch im Rahmen des Traumes machen das Hörspiel recht kompliziert. Die Geschichte ist um einiges verwirrender gestrickt als sonst üblich, vermutlich wollte die Lady in ihrem Traum endlich einmal eine richtig verzwickte Herausforderung ;-)

Nachdem ich die Geschichte beendet hatte, legte ich sofort erneut die ersten Tracks ein, um manche Dinge im Nachhinein besser zu verstehen. Dabei fiel mir bereits zu beginn auf, wie clever Marc Freund, der dieses Mal die Story lieferte, die Geschichte verwoben hatte. Das Gespräch, welches die Lady mit Tim vor ihrem Sturz führte, fließt in den Traum ein, unabhängige Einzelstücke werden zu einem großen Ganzen verquickt. Während des ersten Hörens dürften diese Feinheiten vermutlich eher untergehen, da man sich ja selten jedes gesprochene Wort einprägt. Also absolute Empfehlung: mindestens zweimal hören!

Die Musik gefiel mir in dieser Folge sehr gut. Besonders der lange Track zur Einleitung ist sehr schön, stimmt den Hörer auf die kommenden Ereignisse und das für die Serie neue, ungewohnte Setting ein.

Für Neulinge eine spannende Geschichte, aber der wirkliche Reiz gibt sich vor allem für treue Fans der Serie. DAS GRAUEN IM NACHTEXPRESS ist eine ungewöhnliche Idee, die gelungen umgesetzt wurde und eine gekonnte Abwechslung zu den sonst üblichen Folgen bietet. Das typische Bedfort-Feeling ist vorhanden, die Sprecher leisten tolle Arbeit, der Plot ist clever gestrickt. Ideale Zutaten für eine neue Lieblingsfolge :-)

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SaschaSalamander 20.02.2012, 09.07 | (0/0) Kommentare | PL

Wie ein Flügelschlag

wilke_fluegel_1.jpgAUTORIN

Nachdem mich >HOLUNDERMOND< bereits begeistert hatte, war ich sehr gespannt auf ihren Jugendkrimi WIE EIN FLÜGELSCHLAG. Jutta Wilke ist eine sehr aktive Autorin, die sich bei >Facebook< wie auch mit einem eigenen >Blog< präsentiert und gerne auf ihre Leser eingeht. Sie schreibt sehr viel über ihren Schreibprozess, verteilt kleine Appettithäppchen vor der Veröffentlichung, macht neugierig und zeigt sich vor allem sehr menschlich mit ihren Stärken und Schwächen. Normalerweise könnte ich ja jetzt ein wenig über ihre Person schreiben, aber - ach, das steht im Klappentext, bei Amazon, im Internet, im Blog, bei Facebook, wer neugierig ist, dem empfehle ich einfach, sie dort selbst kennenzulernen ;-)


INHALT

Jana hat aufgrund ihrer Leistungen als Schwimmerin ein Stipendium erhalten. Doch in der Klasse ist sie wenig anerkannt. Nur die von allen umschwärmte, beliebte Melanie freundet sich mit ihr an. Und dann wird Melanie eines Tages ermordet. Jana beginnt auf eigene Faust zu ermitteln, sie will nicht glauben, dass ihre Freundin an Herzversagen starb, für sie deutet alles auf einen Mord hin. Doch sie stößt auf eine Mauer des Schweigens, kämpft scheinbar alleine, bis in dem Bruder Melanies endlich ein Verbündeter erscheint. Was die beiden herausfinden, würde einen Skandal verursachen. Und Skandale sind an dieser Schule unerwünscht, das bekommt Jana sehr hart zu spüren.


CHARAKTERE

Jutta Wilke ist ein wundervolles Charakterdesign gelungen. Das Buch ist in der Ich-Form aus Janas Sicht geschrieben. Dadurch erfährt der Leser sehr viel über die Beweggründe des verschlossenen Mädchens. Figuren, zu denen Jana einen starken positiven oder negativen Bezug hat, etwa ihr Trainer, ihre Mutter oder Mika, sind sehr deutlich beschrieben, wirken plastisch und dreidimensional. Randerscheinungen wie die Klassenkameraden oder der Schuldirekter verblassen dagegen, doch sie sind auch nicht wichtig. Was hervorragend gelungen ist, das ist die Darstellung des Täters. Ich muss zugeben, dass ich nicht aufgrund der Hinweise (die es nicht gab, zu geschickt ist die Intrige gewoben), sondern aufgrund der Erzählweise ihn / sie von Beginn an in Verdacht hatte.

Jana schildert ihre Welt so plastisch, dass man am liebsten in das Buch hineinkriechen möchte. Man möchte sich gegen den schrecklichen Trainer auflehnen, will ihm trotzen, hat aber doch Angst vor ihm, erkennt die Ausweglosigkeit gegenüber dieser Autoritätsperson. Janas Mutter ist ebenfalls eine sehr emotionsgeladene Figur, und immer wieder habe ich innerlich geschrien ob der Ungerechtigkeit, welche die Heldin erlebt. Ihre Mutter sorgt sich so wenig um ihre Tochter, ist sosehr gefangen in ihrer egozentrischen Welt, dass sie sogar die schreckliche Niederlage Janas als Festtag feiert, da diese Niederlage für sie nur Vorteile birgt, blind gegenüber dem Leid ihres eigenen Kindes.

Selten habe ich mich so intensiv in Figuren einfühlen können, mich so gut mit der Protagonistin identifiziert, sosehr die anderen Charaktere "real" erlebt, es hat mich aufgewühlt und bewegt.


AUFBAU

Das Buch beginnt mit einem klaren Satz: "Wenn ich hier fertig bin, bringe ich sie um". Da MUSS man ja weiterlesen. Man will ja schließlich wissen, wer sie sosehr verärgert hat. Auf neun Seiten erlebt der Leser, wie Jana über den Sportplatz joggt, frustriert, verärgert, gedemütigt, trotzig und willensstark. Schon auf diesen wenigen Seiten fühlt man sich ihr verbunden. Dann sieht sie die Tote. Und das erste Kapitel endet mit dem Satz "Und ich - habe sie umgebracht". Wie sollte man dieses Buch da bitte weglegen können?!?

Im nächsten Kapitel springt die Geschichte drei Wochen in die Vergangenheit. Jana erzählt, wie sie an die Schule kam, erzählt von den Trainings, dem Schulunterricht, der Theatergruppe, dem Mobbing durch die Mitschüler, und insbesondere von ihrer Freundschaft zu Melanie. Den Leser treibt die Frage, wie all dies zum Mord an Melanie geführt haben könnte und warum Jana Schuld daran trägt oder zu tragen glaubt. Und dann im letzten Teil ist Jana in der Gegenwart angekommen, der Leser versucht mit ihr die Hintergründe der Tat offenzulegen.

Und zwischen einzelnen Abschnitten finden sich gelegentlich Einschübe, geschrieben aus der Ich-Perspektive des Täters. Er platziert die Figuren wie Billardkugeln auf dem Spieltisch, stößt an, die Kugeln kommen ins Rollen, er beobachtet den Verlauf, man erahnt, dass er auf ein schreckliches Ende steuert, fragt sich während des Lesens immer wieder, wer diese Person sein könnte. Es gibt mehrere Verdächtige, aber wer von ihnen hätte wirklich einen Grund?

Das Motiv - das fand ich sehr schön: es gab - außer Hinweisen in der Erzählstruktur - keinen Hinweis auf den Täter, er spielte sein Spiel sehr geschickt. Bis zum Ende blieb das Motiv unklar. Trotzdem wirkt es am Ende weder "aus dem Hut gezaubert" noch "schnell irgendwie zu Ende gebracht", sondern man erkennt klar, dass es von Beginn an sehr gut durchdacht war.

Was mir ebenfalls sehr gut gefällt: das Buch hat nur 280 Seiten. Und mehr brauche ich nicht. Das genügt. Es scheint in Mode gekommen, Bücher unnötig aufzublähen. Fortsetzungen zu schreiben, sinnlose Füllsel einzufügen, einfach nur um ein größeres Werk zu veröffentlichen. Das hat Jutta Wilke nicht nötig. Sie packt in 280 Seiten sehr viel mehr als mancher Autor in die doppelte Seitenzahl. Kein Wort ist zuviel, keine Szene unnütz. Und doch ist das Buch komplett, ich habe nichts vermisst. Hier und da bleiben einzelne Fragen offen. Aber da es aus Janas Sicht geschrieben ist - ist das genau richtig. Denn Jana ist keine allwissende Erzählerin, sie kann nicht alles wissen, für sie ist der Fall abgeschlossen. Natürlich hätte ich gerne mehr gelesen - aber das hätte dem schlichten, präzisen Stil des Buches eher geschadet, und so bin ich froh, dass sich die Autorin auf das Wesentliche beschränkt hat.


SPRACHE

Trotz der wenigen Seiten ist das Buch in einer sehr malerischen Sprache gehalten. Die Metaphern sind wunderschön, sie scheinen zu glänzen, zeigen dem Leser das zerbrechliche Innere des nach außen so toughen Mädchens. Ich empfinde das Buch trotz des Genres Jugendkrimi und trotz des Mordes, trotz der Spannung als sehr still und sanft. Jana ist eine stille Person, sie kann sich nur schwer verteidigen, sie frisst vieles in sich hinein, ist kein Mensch großer Worte.

In kleinen Momentaufnahmen bekommen einzelne Figuren Leben eingehaucht, werden Orte wie der alte Friedhof, Janas Zuhause, die Schwimmhalle, das öffentliche Schwimmbad lebendig. Kleine Erwähnungen nur, die jedoch sofort vollständige Bilder vor dem inneren Auge entstehen lassen, alles wirkt greifbar und plastisch.


VERFILMUNG

Nein, eine Verfilmung ist natürlich noch nicht angedacht. Aber ich möchte es erwähnen: ich bin kein visueller Mensch. Meine Welt sind Worte, nicht die Bilder. Doch WIE EIN FLÜGELSCHLAG löste in mir sehr viele Bilder aus, so als hätte ich einen Film gesehen. Ich sehe jede einzelne Figur vor mir, kann einzelne Personen so exakt beschreiben, als würde ich sie persönlich kennen. Und ich sehe auch die Kulisse vor mir, der "Film" ist in hellen, fast blendenden Farben gehalten, sehr viel Weiß, Silber und Hellblau, gelegentlich durchzogen von schwarzen oder dunkelvioletten Elemnten / Accessoires. Der Film hat nur sehr wenige Dialoge, er basiert vor allem aus der Beobachtung durch Janas Augen, es gibt sehr viele Nahaufnahmen einzelner Gesichter. Verschlossene, kalte Gesichter der Mitschüler, Melanies leuchtende Maske, Janas Melancholie, der beinahe gebrochene Kampfgeist, ihr aufkeimender Überlebenswille. Die Musik ist ruhig, fließend, perlend, passend zum klaren Wasser, weitgehend instrumental. Und sehr viele Aufnahmen im Wasser, von Jana, die im Wasser "fliegt". Ich bin sicher, andere Leser werden andere Bilder gesehen haben, werden sich den Film anders vorstellen. Das ist gut so, denn die Autorin spricht mit ihren Worten sehr eindringlich archaische Gefühle an, die jeder auf seine Weise mit eigenen Erfahrungen verknüpft, sich auf seine ganz eigene Weise verbunden fühlt. Zu gerne würde ich einen Film sehen, erleben, wie andere Leser dieses Buch wahrgenommen haben.


FAZIT

Ein wunderbarer Jugendkrimi. Präzise, lyrisch und überaus bewegend. Die Autorin hat ihre Worte knapp und präzise gewählt, und jedes dieser Worte berührt den Leser im Inneren. WIE EIN FLÜGELSCHLAG bietet ein sehr emotionales Leseerlebnis, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte!

SaschaSalamander 07.02.2012, 09.06 | (0/0) Kommentare | PL

Lady Bedfort 49 - Die Weisheit des Cicero

bedfort_49cicero_1.jpgINHALT

Tim Denham wird von seinem alten Freund Kent auf dessen Landsitz eingeladen, natürlich in Begleitung von Lady Bedfort. Doch bereits zum Einstieg gibt es bereits die erste Leiche (auch auf natürliche Weise verstorben). Doch dann wird ein Mord verübt, kurz darauf ein Mordversuch unternommen. Tim und die Lady ermitteln ...


NEUER AUTOR

Thorsten Beckmann hat für diese Reihe sein Debut abgeliefert, und natürlich beleuchtet man da sehr genau, wie gut sich die Geschichte in die restlichen Teile einfügt. Interessant ist auch, wie lange Thorsten die Geschichte bereits in sich trug, wie oft er sie abändern musste und wie sie nun am Ende für den Hörer präsentiert wird. Im Booklet ist sehr schön beschrieben, wie DIE WEISHEIT DES CICERO nach und nach Gestalt annahm. Es ist interessant, wieviel Arbeit oft in solch einer kurzen Story steckt

Folge 49 ist deutlich im Stil der alten Edgar Wallace Filme gehalten. Es gibt eine begrenzte Anzahl von Personen (außer der Lady und Tim agieren der alte Kent, seine drei Söhne, seine Schwiegertochter und deren Vater). Diese sind untereinander sehr stark verwickelt und verwoben, sodass dem Hörer beim ersten Genuss der CD wohl einige Feinheiten der Beziehungen entgehen könnten, ein zweites Hören ist ratsam. Ein adoptierter Sohn, eine Fehde zwischen den beiden Patriachen, die Schwiegertochter zwischen den Stühlen, das ausstehende Erbe um die materiellen und finanziellen Güter sowie die zukünftige Oberhand über die Großfamilie. Unter der Oberfläche brodelt es gewaltig, es wird intrigiert, und diese Stimmung hat der Autor hervorragend eingefangen.

Was allerdings die an sich sehr geschickt inszenierte Story ein wenig schmälert, sind einige Längen im Mittelteil. Die Dialoge wirken in manchen Szenen etwas schwerfällig (was teilweise an den Dialogen selbst, zum Teil aber auch den Sprechern liegt). Die Ermittlungen laufen träge dahin, statt Ermittlungen gibt es sehr viele Infos über die Familienbande und Streitigkeiten untereinander.

Was mir aber gefiel: Tim Denham bekommt hier eine recht große Rolle. Normalerweise steht er mehr im Hintergrund, und hier kann er sich sehr schön beweisen. Weniger schön allerdings: dafür rückt die Lady stark in den Hintergrund. Sie ist es normalerweise, die der Serie ihren Flair verleiht, die mit ihren Schnüffeleien und liebenswert - bissigen Kommentaren immer haarscharf auf dem Drahtseil des Erlaubten tanzt, die Inspektoren und Verdächtigen gerne provoziert, die Hörer unterhält. Dies vermisst man leider in Folge 49, statt dessen bekommt man Einblick in einen großen Familienclan und Tims sympathische aber doch eher träge Wesensart (die nur zur Nebenfigur genügt, nicht jedoch zum Handlungsträger einer Geschichte). Es ist nicht schlecht und zur Abwechslung einmal nett, auf Dauer jedoch wäre dies der Serie eher abträglich.


SPRECHER, MUSIK

Peter Weis war bereits viermal dabei, Oliver Feld hören wir hier zum dritten Mal, beide zuletzt in Folge 48. Wie bereits gesagt, in der letzten Folge haben sie ihr Können besonders unter Beweis gestellt, hier jedoch wirkte manches auf mich etwas künstlich und bemüht. Jaqueline Svilarov trat in Folge 48 erstmals auf und war auch heute wieder dabei, auch hier wieder eine eher zwielichtige, undurchsichtige Rolle, die sie recht gut verkörperte. Schön ist, dass Familie Kluckert hier gleich dreimal vertreten war. Nicht nur Jürgen, der den Part den Tim Denham innehat, sondern auch seine Söhne Fabian und Tobias.

Die Musik gefällt mir seit den letzten Folgen sehr gut, der neue Stil passt hervorragend zur Serie, lockert die Spannungen auf und verleiht wichtigen Momenten eine gewisse Dramatik.

FAZIT

Die Geschichte war sehr gut ausgefeilt mit all den Verdächtigen und ihren Verwicklungen, auch wirkte das Setting mit den vielen Personen an einem quasi abgelegenen Ort sehr spannend. Die Charaktere der Beteiligten wurden sehr gut herausgearbeitet. Trotzdem gibt es hier und da Längen und Schwächen in den gesprochenen Dialogen. Eine nette Lady Bedfort - Folge, die auf weitere Krimis aus der Feder von Thorsten Beckmann hoffen lässt, wenn auch beim nächsten Mal bitte mit ein wenig mehr "Biss" ;-)

SaschaSalamander 04.02.2012, 09.16 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Die Flüsse von London

aaronovitch_fluesse_1.jpgINHALT

Peter Grant arbeitet bei der Londoner Polizei. Bei einem Einsatz trifft er plötzlich auf einen Geist, der ihm einiges über den Tathergang erzählt. Er beginnt eigene Nachforschungen anzustellen, und dabei zieht er die Aufmerksamkeit des seltsamen Thomas Nightingale auf sich. Dieser ist Englands letzter Zauberer und sieht in dem jungen Mann nun einen geeigneten Lehrling und vielleicht sogar Nachfolger. Also tritt Grant nun in Nightinggales Dienst und lernt die Gründzüge der Magie, befasst sich mit rivalisierenden Flussgöttern und trifft auf Vampire und andere unheimliche Wesen.


CHARAKTERE

Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet, sogar bis in die kleinste Nebenrolle. Vor den Augen des Lesers werden Flussgötter, Menschen, Besessene, Magier, Geister "lebendig", erhalten einen glaubwürdigen Hintergrund und werden ausgestattet mit liebenswerten Macken und Eigenheiten. Besonders die Personifikation der beiden Flussgötter mitsamt ihrer Familie fand ich sehr gelungen. Ich kann nicht einmal sagen, welcher Charakter mir am meisten ans Herz gewachsen ist, ich fühle mich ihnen allen verbunden und freue mich, bald mehr von ihnen zu erfahren in den folgenden Bänden.


BEDEUTUNG DER MAGIE

Was mich sofort begeisterte: Ben Aarovonitch setzt hier viele geniale Ideen um. Nein, es ist nicht einfach nur eine eigene magische Welt. In anderen Büchern neigt der Autor dazu, eine Welt und Magie zu erfinden, die jedoch einfach als gegeben hingenommen wird. Der Held dieser Geschichte allerdings will die Magie erforschen. Es genügt ihm nicht, einfach nur die Anwendung eines Feuerballs zu lernen. Nein, er will auch wissen, woher die Magie kommt, woraus die Energie gezogen wird, warum technische Geräte dadurch beeinflusst werden, in welchem Maß und in welchem Radius die Magie wirkt und welche Nebenwirkungen sie auf den menschlichen Körper haben kann. Es ist einfach köstlich, wenn er experimentiert, für die Beteiligten lästige Fragen stellt und immer tiefer in die Materie eindringt. Hier werden Wissenschaft und Magie nebeneinandergestellt, Newton gilt als Begründer nicht nur der Scientia sondern auch der Magie. Wirklich eine tolle Idee!


VERY BRITISH

Der Humor ist typisch britisch: sehr trocken, hier und da ein wenig anzüglich, und auf jeden Fall rabenschwarz. Und nicht nur der Humor, auch das Flair könnte britischer nicht sein. Die Handlung ist äußerst modern. Dennoch gebe ich zu, dass ich trotzdem oft das Gefühl hatte, einen Roman aus der viktorianischen Zeit zu lesen, einfach aufgrund der atmosphärischen Dichte, die ich sonst eher in diesem Genre gewohnt bin. Man meint regelrecht die Themse vor sich zu sehen, den aufsteigenden Nebel auf den kopfsteingepflasterten Straßen, und immer wieder scheinen mir die Handies, Autos und anderen Neuheiten wie Anachronismen in dieser ansonsten so traditionellen Welt. Dies wird vor allem verstärkt durch den altmodischen Nightinggale. Er ist ein alter Magier, der sich von Technik distanziert (vor allem, da diese ja wie bereits erwähnt Schaden durch das Anwenden von zaubersprüchen nimmt) und die alten Werte hochhält. Seine Kleidung, sein Verhalten, seine Sprache, ja auch sein Anwesen, es wirkt alles wie ein Relikt aus alten Zeiten.

Ein kleines Easteregg für Dr. Who Fans: in einer Szene meint Grant, er wisse nicht mehr, woher er so genau über den Kleidungsstil in jener Zeit Bescheid wisse, es könne wohl an einer alten Folge Dr. Who liegen. Dies ist insofern witzig, als Aaronovitch bereits zwei Folgen für die bekannte britische Serie geschrieben hat ;-)


SPRACHE, GENRE

Die Sprache liest sich angenehm flüssig. Manchmal war ich ein wenig irritiert: mal wirkt es altmodisch, ein andermal sehr modern. Ein Widerspruch, an den man sich jedoch sehr schnell gewöhnt und der durch die Handlung sehr gut begründet ist. Einige Sätze wirken etwas flapsig, ironisch, der Autor nimmt sich und sein Buch nicht bitterernst sondern lässt manchen Seitenhieb fallen.

Die Übersetzung vermag ich nicht zu beurteilen. Aber sie hat mir große Lust auf das Original gemacht, die folgenden Bände werde ich auf Englisch lesen. Denn an vielen Sätzen hatte ich sofort die englische Variante vor Augen, die Übersetzung schien mir so gelungen, dass ich zu wissen glaube, wie es im Original heißen musste. Dadurch wirkt die Sprache stellenweise ein wenig ungewöhnlich, ich empfinde dies jedoch als eigenen, britischen Charme und sehr gelungen.

Das Genre ist ein wilder Mix verschiedenster Bereiche. Es wird sehr viel Wissenschaft eingebaut, aber im Grunde ist es ein klarer Krimi. Die Charaktere sind eindeutig im fantastischen Bereich zu finden, die Spannung und die drastische Darstellung der blutigen Momente mutet an wie in einem Thriller. Der Humor ist gehobene Unterhaltung, und eine ordentliche Prise Viktorianisches findet sich ebenfalls. Ach, ist es nicht egal, in welchem Genre man ein Buch einordnet, solange es einfach gefällt? ;-)


FAZIT

Obwohl das Buch der Auftakt einer Reihe ist, ist es in sich abgeschlossen und ist bedenkenlos auch ohne die Fortsetzungen lesbar. Humor, Sprache, Stil sind eigenwillig und gewöhnungsbedürftig, wissen Fans des britischen Stils jedoch sofort zu überzeugen. Eine klare Empfehlung für alle, die sich nicht von einem wilden Genremix mit ungewöhnlichen Charakteren schrecken lassen :-)

SaschaSalamander 02.02.2012, 09.46 | (0/0) Kommentare | PL

Lady Bedfort 48 - die Sorgen des Mr Bloom

bedfort_48bloom_1.jpgINHALT

In der nunmehr 48ten Folge geht es wieder einmal um einen Mord. Ein Apotheker liegt tot in seinen Verkaufsräumen. Während Gomery und Miller den Tatort untersuchen, tritt wie zufällig wieder einmal Lady Bedfort mitten in das Geschehen und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Was verbirgt der Arzt, mit dem der Apotheker schon häufiger Streit hatte? Warum wurde außer Morphium nichts gestohlen? Es fehlte am Vortag Geld in der Kasse, das jetzt auf einmal wieder da ist? Und wer ist das alte Ehepaar, das anfangs so gar nicht in die Handlung zu passen scheint?


EINE KLASSISCHE FOLGE

Die aktuelle Folge ist, nachdem 46 und 47 sich in Aufbau und Gestaltung etwas von der restlichen Serie abhoben, wieder ein ganz klassischer Fall. Lady Bedfort schnüffelt gegen den Willen Gomerys und mit der Unterstützung von Inspektor Miller fleißig an allen Orten, wo sie eigentlich nichts zu suchen hat. Und dabei erfährt sie eine Menge, was der Polizei entgeht, sodass sie ihre eigenen Schlüsse ziehen und wieder einmal im letzten Moment das Schlimmste verhindern kann. Vivien, Denham und Inspektor Miller sind ebenfalls wieder alle drei mit von der Partie. Wie gesagt: absolut klassisch, sowohl für Lady Bedfort als auch das Genre an sich. Da die Handlung für sich steht und kaum etwas aus dem Leben der einzelnen Protagonisten geschildert wird, eignet sich Folge 48 diesmal auch ideal für Neueinsteiger. Es ist keine Vorkenntnis über die Serie an sich erforderlich, unterscheidet sich von der ersten Folge jedoch deutlich durch die zunehmende Erfahrung, die seit inzwischen fast fünf Jahren bei der Umsetzung der Hörspielreihe gesammelt wurde.


VERDÄCHTIGE

Was mir diesmal besonders gefallen hatte: es gab mehrere Verdächtige, die infrage kamen, und es gab zwar viele Hinweise, doch viele davon führten in die Irre. Schon zu Beginn ahnt man sofort, wer es sein muss, doch kurz darauf richtet sich die Aufmerksamkeit auf eine andere Person. Auch die Frage, warum der Apotheker sterben musste, bleibt bis zum Schluss offen, die Frage nach dem Motiv ist ebenso drängend wie die Suche nach dem Mörder. Ich vermute, dass die meisten Hörer zwar die Richtung erahnen, aber wirklich auflösen wird es wahrscheinlich kaum jemand: zusehr drängen die Vermutungen in eine ähnliche aber falsche Richtung. Es hat mich gefreut, bis zum Ende im Dunkeln zu tappen.

Ein gelungener Kunstgriff sind die Episoden zwischen Rupert und Tilda Bloom. Natürlich weiß man sofort, dass sie etwas mit dem Mord zu tun haben. Aber waren sie Zeugen, Täter, Mitwisser oder auf ungewollte Weise Auslöser? Das alte Ehepaar macht diese Folge auf seine ganz eigene Weise zu etwas Besonderem, es ist köstlich, ihnen  zu lauschen, die Spannung zwischen den beiden Sprechern ist hervorragend umgesetzt worden.

SPRECHER

DIE SORGEN DES MR BLOOM ist eine Folge mit sehr vielen Sprechern. Und so darf man sich über drei neue Stimmen in der Serie freuen: Franziska Troeger übernimmt die Rolle der alten, keifenden Tilda Bloom gekonnt unsympathisch, es macht Spaß ihr zuzuhören. Jaqueline Svilarow spricht die junge Angestellte hervorragend, sowohl den naiven Part als auch ihre andere Seite. Und mit Tobias Kluckert tritt nun einer der Söhne von Jürgen Kluckert (Tim Denham) auf, auch er spielt gekonnt zwielichtig und undurchschaubar.

Abgesehen von den Sprechern der Stammrollen gibt es zwei bekannte Stimmen, die wieder eingesetzt wurden: Peter Weis kennt man bereits aus drei anderen Folgen, Oliver Feld war bisher erst zwei mal zu hören, und auch sie spielen ihre Rollen glaubwürdig.


MUSIK

Der helle, freundliche Klang sagt mir sehr zu, lockert die oft tragischen Geschichten etwas auf. Doch auch bedrohliche Parts werden eingespielt, in dieser Folge durch Variationen des Themas >Dies Irae<. Im Booklet beschreibt Dennis Rohling, wie es dazu kam, ich fand die Entstehungsgeschichte sehr interessant, und nachdem ich weiter dazu recherchiert hatte und mir auch andere Variationen des Themas angehört hatte, habe ich seit gestern Mittag einen ziemlich fiesen Ohrwurm, der nicht mehr gehen will. >Dies< ist der Song, der Dennis inspirierte.

Es gefällt mir, wenn man durch das Booklet auf Dinge aufmerksam gemacht wird, die sonst eher untergehen. Man neigt als Hörer dazu, weniger auf Sprecher, Autoren oder Musik einer Reihe zu achten, doch durch einzelne Hinweise und Goodies wird das Hörspiel lebendiger, achtet man stärker auf einzelne Details. Und gerade Musik ist etwas, das meist zu wenig Beachtung erhält in Hörspielen und hier immer wieder hervorgehoben wird.


FAZIT

DIE SORGEN DES MR BLOOM ist eine Folge im klassischen Stil, die jedoch durch die Vielzahl an Verdächtigen, die parallele Handlung des alten Ehepaares und die bis zum Schluss unklare Auflösung überzeugt. Auch die neuen Sprecher fügen sich in die bestehenden Rollen ein und lassen auf weitere Auftritte hoffen. Wieder einmal bester Hörgenuss für alle Fans und Neueinsteiger der Serie. 

SaschaSalamander 31.01.2012, 08.55 | (0/0) Kommentare | PL

Kühlfach betreten verboten

profijt_kuehlfachbetreten_1.jpgEigentlich ist das Buch für nächstes Jahr angekündigt, und umso erfreuter war ich, es jetzt schon vor Weihnachten in meiner Buchhandlung liegen zu sehen. Gekauft, gelesen, und jetzt möchte ich meine Gedanken dazu mit Euch teilen.


INHALT

Pascha ist wieder da! Hat er im ersten Band seinen eigenen Mord aufgeklärt, sich anschließend mit einer Nonne herumgeärgert und daraufhin die seltsamen Vorkommnisse im Rechtsmedizinischen Institut beobachtet, hat er nun mit einem besonders kniffligen Fall zu kämpfen: ein Autounfall. Vier Kinder liegen im Koma, ihre Seelchen vertrauen nun in Paschas Hilfe. Die Lehrerin der Kinder saß am Steuer, sie wurde entführt. Was anfangs aussieht wie ein tragischer Unfall, entwickelt sich immer mehr zu einem Verwirrspiel aus Drogen, Kriminalität, verschmähter Liebe und Ausländerpolitik.


KÜHLFACH-REIHE

Als vierter Band der Kühlfach-Reihe ist KÜHLFACH BETRETEN ein Buch, das man nötigenfalls auch ohne das Vorwissen um die ersten drei Teile lesen und verstehen kann. Als Fan dieser Reihe rate ich aber natürlich dazu, mit KÜHLFACH 4 zu beginnen, danach folgen IM KÜHLFACH NEBENAN und KÜHLFACH ZU VERMIETEN.

Damit das Thema "Geist löst Verbrechen" nicht langweilig wird, muss Jutta Profijt sich jedes Mal etwas Neues einfallen lassen. Autoknacker und Nonne war ein netter Kontrast (Teil zwei), und der schwerverliebte Pascha (Teil drei) war auch witzig. Diesmal darf unser "Held" sich mit den Seelen von vier Kindern herumärgern. Die Kleinen sind ziemlich schwer zu bändigen und sorgen für so manchen Lacher. Der Geist eines Autoknackers als unfreiwilliger Babysitter von vier Kids, das ist wirklich mal was Innovatives, so etwas habe ich noch nicht gelesen! Die zusätzliche Würze bieten die unterschiedlichen Charaktere: ein türkischer Junge, eine Streberin, ein ausländerfeindlicher Machobubi und ein frauenverstehender Junge mit Hilfskomplex, Zoff ist vorprogrammiert.


SPRACHE, POLITICAL CORRECTNESS

Was an der Reihe besonders fasziniert, ist wohl für die meisten Leser das rotzige Verhalten von Pascha. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, ist politisch unkorrekt und drückt sich ziemlich deutlich aus. Klar, er war ein Kleinkrimineller, und jetzt im Tode muss er erst recht keine Manieren mehr beweisen, wem auch? Und so bekommt der Leser eine breite Palette an Tiraden geboten. Pascha wettert gegen Frauen, Türken, Kinder, Polizei, Vegetarier, Ärzte, Lehrer und was ihn sonst so alles nervt. Trotzdem kann man ihm nicht wirklich böse sein, da immer erkennbar ist, dass der so gewollt coole Typ doch eigentlich im Grunde seines Kerns einer von den "Guten" ist.

In seiner Wortwahl ist er nicht gerade zimperlich. "Hupen" und "Kümmel" für Frauen und Türken, Ölkanne für das gegelte Exemplar eines coolen Ghettogangsters. Schüler sind Lernwichtel, ein Ungeborenes ist ein Bonsaikeimling, Piercings sind Blechpickel, den Mund bezeichnet er als Quatschklappe, eine gestylte Tussi ist ein Perlhuhn. Wie gesagt, politisch absolut unkorrekt. Trotzdem ist das Buch in nicht einem einzigen Satz bösartig oder verletzend, auch wenn ich an manchen Stellen Frauenrechtlerinnen empört dreinblicken sehe, wenn es mal wieder heißt "Weiber machen nur Probleme".

Was dabei bemerkenswert ist: trotz der rotzigen Sprache schreibt die Autorin auf gehobenem Niveau, geht niemals unter die Gürtellinie, wird nicht ausfallend. Bei solcher Wortwohl und solchen Themen ein schmaler Grat, auf dem sie gekonnt balanciert. Dadurch ist dieses Buch auch für Sprachliebhaber und "empfindsame" Gemüter geeignet, die sich in anderen Büchern oft an derber Sprache stören.


AUFBAU, ERZÄHLWEISE

Das Buch hat eine sehr gut aufgebaute Handlung, von der so mancher "normale" Krimi sich eine Scheibe abschneiden kann. Aber vor allem lebt das Buch von Paschas Beobachtungen. Seinen Kommentaren über alles, was er gerade erlebt. Ohne sein schnoddriges Mundwerk wäre das Buch "nur" spannend, würde aber seinen unvergleichlichen Charme einbüßen. Die Erzählweise ist eher unüblich, aber das liegt natürlich daran, dass Pascha kein "normaler" Ich-Erzähler ist, sondern eben ein Geist. Und als solcher sieht er zwar alles, kann aber selbst nicht eingreifen. Auch kann er nur seine Beobachtungen schildern, kann jedoch keine Gedanken lesen und führt den Leser somit häufig ungewollt auf eine falsche Fährte. Denn die Autorin hält sich nicht an gängige Klischees von Gut und Böse. Wer zu Beginn unsympathisch scheint, könnte sich als Mensch mit edlen Motiven entpuppen. Und nicht jeder, der kriminell oder lästig ist, muss zwangsläufig zu den "Bösen" gehören.


FAZIT

Genial wie immer, Pascha ist einfach mein liebster untoter Antiheld. Und obwohl es schon das vierte Buch in Folge ist, wird es nicht langweilig. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, die Fälle werden immer spannender. Ich wünsche der Autorin, dass ihr die kreativen Ideen nicht ausgehen und wir noch viele weitere Abenteuer mit Pascha erleben dürfen. Für KÜHLHAUS-Fans ist der vierte Band ein Muss. Und wer Pascha noch nicht kennt: auf, auf, lest es endlich! ;-)

>Hier< gibt es ein paar Zitate, um Euch Paschas Schnodderschnauze zu zeigen und um Euch Lust auf das Buch zu machen ...

SaschaSalamander 23.12.2011, 10.42 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

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