SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Das Nebelhaus

Eric Berg ist das Pseudonym des bekannten Autors Eric Walz, der bisher vor allem historische Titel veröffentlichte. Schon lange wollte er einen Kriminalroman schreiben, und das hat er mit DAS NEBELHAUS nun getan. Ich war neugierig, denn der Inhalt klang sehr vielversprechend:

Die Journalistin Doro Kagel will einen Beitrag schreiben über den Fall der Blutnacht: mehrere Jugendfreunde trafen sich auf Hiddensee, und dann wurden drei der Anwesenden (Bewohner, Gäste, Personal) von ihnen erschossen. Der Frau, der die Waffe gehört und die als Täterin gilt, liegt im Koma und kann sich nicht zu den Geschehnissen äußern. Doro versucht mit Hilfe eines jungen Mannes, der dabei war und überlebte, mehr über die schreckliche Tat zu erfahren. 

Die Handlung wird sehr geschickt auf zwei Ebenen erzählt. Sie beginnt mit Doro, die den Sohn der Bediensteten interviewt. Sie freunden sich an, und dadurch kommt Doro - und mit ihr der Leser - hautnah an den Ort des Geschehens, denn der Vater lebt noch immer auf der Insel und hat das Haus (den Tatort) unverändert gelassen. Langsam aber stetig erfährt die Journalistin immer mehr. Während sie die Geschehnisse aufrollt, wird der Hörer in die Vergangenheit geführt: alle Anwesenden des Treffens werden vorgestellt, beginnend vom ersten Aufeinandertreffen über die Zeit des Beisammenseins bis hin zur Mordnacht. 

Dem Autor ist es sehr geschickt gelungen, die Handlungsbögen so zu verweben, dass beide ein großes Puzzle ergeben. Was in einem Strang als Frage aufgestellt wird, kommt kurz darauf als Antwort der anderen Erzählebene. Die Geschichte bezieht ihre Spannung aus den teils wie nebenbei erwähnten Details, und es ist kaum möglich das Hörbuch zu unterbrechen. Nur noch ein paar Minuten, um die nächste Antwort zu erfahren, ehe man es sich versieht, sind 660 Minuten verstrichen. Langweilig wird es an keinem Punkt, zu geschickt hat Eric Berg immer wieder die nächsten Häppchen verteilt, welche die Handlung ein kleines Stück vorantreiben. Dennoch sollte man ein wenig Geduld mitbringen, denn er lässt sich dabei genüsslich Zeit und erzählt sehr gemütlich. 

Die Handlung bietet sehr viele Wendungen, sodass jeder im Laufe der Geschichte einmal verdächtigt wird. Geschickt legt der Autor die Fäden, lässt den Leser / Hörer in die Falle tappen und weidet sich daran, im letzten Moment wieder eine neue Erkenntnis zu präsentieren, die alles in ein neues Licht rückt. Besonders clever ist dabei der Schachzug, dass der Leser / Hörer nicht weiß, wer die Überlebenden sind. Dadurch ist auch unklar, ob eine Person Täter ist oder womöglich selbst getötet wurde. Auch das Motiv bleibt bis kurz vor Ende im Dunkeln, und auch hier werden sehr viele Theorien aufgeführt und wieder verworfen. Ein Verwirrspiel allerfeinster Güte!

Die Charaktere sind glaubwürdig dargestellt. DAS NEBELHAUS ist eine Geschichte voller psychischer Abgründe. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, jeder der Beteiligten trägt eine Schuld tief in sich, und jeder hätte ein Motiv. Das Erschreckende daran ist, dass man als Leser sich zwar nicht mit jedem identifizieren, jedoch alles Verhalten nachvollziehen kann und somit erkennt, was in jedem von uns schlummert und jeden Moment hervorbrechen könnte. 

Gesprochen wird das Hörbuch von Anneke Kim Sarnau und Jürgen Uter. Sarnau begleitet den Hörer bei den Ermittlungen der Gegenwart, Uter erzählt, was damals wirklich geschah. Beide sind mir als Hörbuchsprecher bis dato nicht bekannt, sie machen ihre Sache jedoch sehr gut und nehmen sich als Person soweit zurück, dass die Handlung optimal wirken kann. Unaufgeregt, dem ruhigen Erzählstil angemessen, sodass man ihnen gerne 11 Stunden lauscht. 

Auch, wenn ich den Autor bisher nicht kannte und glaubte, in Sachen Krimi schon die meisten Kniffe und Tricks der Erzähltechnik zu kennen, war ich sehr positiv überrascht. Eric Berg hat es geschafft, mich zu fesseln und begeistern. DAS NEBELHAUS ist ein ungewöhnlich erzählter Krimi, der lange im Gedächtnis bleibt ... 

SaschaSalamander 28.07.2014, 08.47

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