SaschaSalamander

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10 Dance

INHALT

Shinya Sugiki und Shinya Suzuki sind Turniertänzer. Der eine Standard, der andere Latin. Sugiki möchte mit Suzuki gemeinsam die 10 Dance antreten, ein Turnier mit einer Kombination aus beiden Stilrichtungen. Dazu müssen sie zusammenarbeiten. Das ist nicht leicht, denn so viele Gemeinsamkeiten die beiden Männer haben, so verschieden sind sie auch in ihrer Arbeitsweise, ihrem Training, ihrem Lebensstil.


VORAB

10 DANCE ist ein Manga, der vom Verlag schon lange, lange, lange zuvor angekündigt wurde. Und verschoben. Und dann erneut verschoben. Noch einmal verschoben. So oft und so lange verschoben, dass ich mir irgendwann dachte "leckt mich doch am Bürzel, ich kauf den aus Prinzip nicht mehr, das ist mir zu blöd". Ehrlich, ich war gewaltig angenervt!

Von der Zeichnerin habe ich bisher nichts weiter gelesen, und leider sind bisher nur 2 Bände von 10 DANCE in Japan erschienen, die Serie geht jedoch weiter. Auch ein Kriterium dagegen: ich mag es gar nicht, wenn eine Reihe nicht abgeschlossen ist und mich womöglich 50 Bände erwarten, die mit einer anfangs guten Idee dann später einfach nur vor sich hindümpeln.

Als er dann im Laden lag und ich ein wenig darin blätterte, habe ich wirklich lange und hart mit mir gerungen, und widerwillig habe ich ihn doch gekauft, denn eigentlich hatte er mich schon interessiert. Und er hat mich beim Lesen dann ziemlich begeistert. Ich hoffe jetzt nur noch, dass 1) die Abstände der Veröffentlichung nicht zu lange dauern und 2) sich die Story nicht über zig sinnlose Bände erstreckt sondern gestrafft zu einem Ende kommt.


STORY / TANZEN / GENRE

Es gefällt mir, dass dies ein Manga ist, der inhaltlich vom üblichen 0815 Schema des Shonen Ai abweicht. Ja, es sind zwei attraktive Männer, und ja es gibt auch hier und da einen Kuss. Und ja, sie fühlen sich auf gewisse Weise zueinander hingezogen, aus professionellem Interesse wird ein gelebtes Gefühl. Dennoch wird das Knistern vor allem im Tanz ausgelebt, die Zeichnungen sind hierbei sehr ausdrucksstark.

Das Tanzen bringt hinsichtlich der Story also auch bezüglich der Bilder eine ganz eigene Dynamik mit sich, die den Leser sofort in ihren Bann zieht. Hände, die sich halten, ein Arm um die Taille, Drehung, Wirbeln, Aufeinander Zugehen. Alles dreht sich um den Tanz, und auch die Charakterentwicklung sowie der Plot werden metaphorisch durch die gemeinsamen Übungen dargestellt. Die Handlung wird auf diese Weise sehr schön herausgearbeitet, ohne dass es verbal thematisiert werden muss.

Die Mangaka schreibt in ihrer Kolumne am Ende, dass sie sich wenig mit Tanzen auskennt. Dafür finde ich, dass sie die Atmosphäre sehr schön eingefangen hat auf den Turnieren, im Trainingsraum. Und von dem, was ich weiß, deckt sich einiges mit meinen Erfahrungen, und ich konnte sehr viel wiedererkennen an Bewegungen, Regeln und Grundmustern.

Das Genre bekommt einen völlig neuen Blickwinkel: Je nachdem, wer gerade beim Trainieren führt, übernimmt der jeweils andere den weiblichen Part. Tanzen drückt sehr viel aus, zB erzählen gerade die Latin-Tänze regelrecht Geschichten von Eifersucht, Leidenschaft, Verliebtsein, Trennung usw. Die Protas reflektieren ihre Arbeit und tauschen sich auf diese Weise über ihre Beziehung zueinander aus. Es gibt einige spitzzüngige Wortwechsel, die zu lesen wirklich Spaß macht und die hervorragend in den Kontext passen. Zwei Männer, die sich über den Sex mit ihren Partnerinnen austauschen, während sie vordergründig eigentlich nur über Tanzschritte, Tempi, Musik und Führen reden, wirklich köstlich.

Da das Tanzen im Vordergrund steht, werden keine unnötigen Dramen oder Konflikte eingebaut. Ja, es gibt Konflikte und Probleme, doch sie werden nicht aufgebläht und überdramatisiert, wie dies bei Boys Love oft tränenreich und überschwänglich üblich ist. Sondern hier agieren zwei erwachsene Männer, die sich gut im Griff haben, die ein Ziel verfolgen und die tatsächlich auch handeln wie reife, erwachsene Menschen. Ihre Differenzen werden auf dem Parkett ausgefochten, der Verlierer weiß seine Würde zu wahren.

Aber, so ernst Inhalt und Umsetzung klingen - es gibt auch immer wieder etwas zu Lachen. Die beiden unterschiedlichen Tänzer prallen immer wieder aufeinander, und mal gibt es süße Chibis, ein andermal witzige Wortwechsel. Das lockert die Handlung perfekt auf.


CHARAKTERE

Wie bereits gesagt: hier gibt es kein klassisches Seme / Uke, kein kindliches Bübchen, keinen verbitterten kalten Typ mit "harte Schale weicher Kern". Sondern zwei ebenbürtige Männer. Sie verkörpern zwei Stereotype, ohne dass der Manga dabei platt oder oberflächlich wird, gerade weil das Thema eben noch sehr frisch ist.

Sugiki ist ein Gentleman, Kavalier der alten Schule, er führt seine Partnerin mit strenger aber sanfter Hand und stärkt ihr den Rücken, er ist beherrscht, ruhig und diszipliniert, arbeitet mit Konzentration und Willensstärke ganz exakt nach Plan. Sein Haar ist glatt frisiert, sein Gesichtsausdruck kontrolliert, sein Anzug piekfein, in seinem Gefolge eine Schar von jungen Tänzern.

Suzuki ist der heißblütige Lover, sein Tanz besteht aus Anziehung und Abstoßung, er ist impulsiv, ein wenig naiv, er tanzt nach Gefühl, und Regeln sind für ihn nur eine Orientierung, keine Grenze, seine Methoden sind unkonventionell und spontan. Sein Haar ist lockig und durcheinander, er trägt weite Shirts, seinem Gesicht sieht man jede Regung sofort an.

Beide haben ihre eigene Methode, den Tanz zu lehren, der eine mit Taktgeber, Zahlen und Regeln, der andere mit Musik und Gefühl. Die beiden entwickeln sich sehr schön weiter, einerseits hinsichtlich ihrer eigenen Verhaltensweisen, andererseits auch im Umgang miteinander. Sie geben trotz der vielen Hürden nicht auf und arbeiten beide hart an ihrem Ziel.

Es gibt weitere Charaktere, die eher eine Nebenrolle spielen aber dennoch eine gewisse Tiefe erhalten, etwa ein alter Studienfreund und befreundeter Komponist, ein Mentor, die Tanzpartnerinnen, die ehemaligen Champions usw.


ZEICHNUNGEN

Wie gesagt handelt es sich hier nicht um klassische Yaoi-Bübchen, sondern um erwachsene Männer. Man sieht Adern, Sehnen, Muskeln. Und, was sehr ungewöhnlich ist für einen Manga: hier und da sogar Haare. Was mir am besten gefällt sind die Hände, wow. Während viele Zeichnungen eher Skizzen ähneln, legt Inoue sehr viel Gewicht auf die Hände, die Haut, die Falten an den Gelenken, die Adern auf dem Handrücken.

Es hat eine ganz eigene Ästhetik, wenn die beiden Männer ihre Hände ineinandergreifen und den Tanz beginnen. Oder wenn Sugiki den Kragen aufknöpft und seine Krawatte abnbimmt.

Ansonsten wie gesagt wird sehr viel skizziert, der Strich ist sehr dünn, in vielen Bildern fehlt der Hintergrund und konzentriert seine volle Aufmerksamkeit allein auf die Bewegung der Charaktere. Die Anatomie kommt in den maßgeschneiderten Anzügen hervorragend zur Geltung, vor allem die Pobacken, Bauch- und Armmuskeln wurden ziemlich realistisch und ansprechend gezeichnet, wenn die beiden wieder tanzen ;-)

Einen sehr schönen Moment fand ich, als der Latin mit Hilfe von aufgezeichneten Strichen auf seinen Bauchmuskeln dem Standard-Tänzer den Verlauf der Bewegung aufzeigt. Während andere Mangaka oft unrealistische Körper zeichnen, den Oberkörper zu lang machen, Muskeln weglassen, achtet Inoue hier sehr auf eine realistische Anatomie, die solche Szenen zu einem absoluten Genuss machen!


FAZIT

Trotz des Widerwillens aufgrund Verlagspolitik und "nicht abgeschlossen" - 10 DANCE ist eines meiner Highlights im Regal. Durch die ungewöhnliche, untypische Art des Storytellings hebt sich der Manga klar von anderen Titeln ab. Die Zeichnungen sind sehr ansprechend, und die Charaktere entwickeln sich nachvollziehbar weiter. Ich hoffe, dass die Serie in knackigen drei bis vier Bänden abgeschlossen ist und kann es bis dahin kaum erwarten!

SaschaSalamander 02.08.2017, 08.47

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