SaschaSalamander

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Ach so

yogeshwar_ach_1.jpgFernsehen ist ja nicht so mein Ding, aber früher habe ich öfters mal geguckt. Etwas, das mir in guter Erinnerung geblieben ist, ist Ranga Yogeshwar. Besonders gerne sah ich ihn in KOPFBALL, auch QUARKS UND CO gefiel mir ganz gut. Ich mag es, wenn komplizierte wissenschaftliche Sachverhalte auch dem Laien verständlich dargebracht werden. Klar kann ich die volle Komplexität des Themas nicht erfassen, aber wenigstens einen kleinen Einblick in die faszinierende Welt der Wissenschaft. Neben Lesch und Bublath gehört er für mich zu denen, die ich nicht verpassen durfte im TV :-)

Nun habe ich gesehen, dass er kürzlich das Buch ACH SO auf den Markt gebracht hat, und ein Jahr davor SONST NOCH FRAGEN. Also habe ich mir doch das aktuellere, ACH SO, geschnappt und reingelesen. Und anfangs war ich recht begeistert, dann legte es sich etwas, und jetzt gegen Ende schüttele ich eher mit dem Kopf. Ich bin ehrlich gesagt enttäuscht!

Anfangs werden interessante Fragen sehr gut verständlich erklärt. Gut, wenn es in mein Fachgebiet (Soziales, Psychologie etc) geht, dann muss ich lächeln, weil ich merke, wieviel eigentlich in der Erklärung fehlt. Aber er hat es ja selbst gesagt: es ist verdammt schwer, ein komplexes Thema in wenigen Seiten einfach zu erklären ohne der Versuchung zu erliegen, immer tiefer ins Detail zu gehen. Und wenn ich gerade bei den physikalischen Sachen erleichtert aufseufze, weil ich glaube endlich ein wenig begriffen zu haben, mögen Fachleute wohl denken, dass da die Hälfte fehlt und er grad mal die Oberfläche minimal angekratzt hat. Aber eben perfekt für den Laien. Daher erwarte ich gar nicht, dass irgend etwas vollständig oder umfassend ist. Das, was den Leser interessiert, kann er sich herauspicken und gerne mehr darüber lesen, vielleicht ein Fachbuch kaufen und sich auf diese Weise neu in die Materie einarbeiten. Ideal, und gerade für diese Dinge liebe ich Yogeshwar und seine Kollegen.

Wie funktioniert ein Spiegel? Warum braucht der Eierkocher weniger Wasser, je mehr Eier darin sind? Warum verändert sich der Ton (Löffel gegen Tasse) beim Umrühren? Wie funktioniert Popcorn? Warum kann Mehl explodieren? Warum bekommt ein Specht keine Kopfschmerzen? Wie berechnet man die Meereshöhe? Wie funktioniert eine Fata Morgana? Hochspannende Fragen, und hinter manchen steckt eine ganz simple Lösung, hinter anderen hochgradig komplizierte Zusammenhänge. Seit ich jetzt weiß, welch unzählige Faktoren dafür verantwortlich sind, ob und wie hart das Ei beim Kochen wird, mache ich mir kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich das perfekte halbharte Ei nicht hinbekomme. So ein simpler Vorgang (Ei hartkochen), und solch verwirrenden Formeln und Fakten!

Aber gegen Ende wurde ich recht frustriert. Der Autor stellt viele Fragen, auf die er dann zwar keine Antwort gibt, wo er jedoch mahnend den Zeigefinger gegen unsere Gesellschaft erhebt. Er stellt die Frage "warum sind Computerspiele so gefährlich anziehend" und erzählt auf ein paar Seiten, dass die Kinder immer mehr in Computerspielen versinken und die Medienkompetenz der Eltern sinkt. Eine Antwort gibt er nicht (kann man auch nicht, das ist nichts, das man mit Wissenschaft und Formeln berechnen kann), aber mahnen und Zeigefingerchen wackeln geht. Auf die Frage "warum übertreiben wir ständig" beschwert er sich, dass alles mega, giga, super sein muss, dass es Rekorde über Rekorde gibt, ob nun im Jahrhundertsturm, beim heißesten Tag des Jahres, bei den neuen SuperStars oder sonstwo. Ja, das stört mich auch, aber das hat für mich nichts mit Physik und Formeln zu tun, und auf die psychologische Seite geht er nicht ein (außer, dass er meint, die Medien wollen sich gegenseitig übertrumpfen, weil sie sonst nicht gehört würden. Aber das kann jeder Laie auch ohne jegliche Kenntnis sagen). Er stellt eine Frage, um dann ein paar Seiten lang über die Gesellschaft zu mahnen. Er fragt "lernen wir in der Schule fürs Leben" und erzählt, dass er das Schulsystem für die kindliche Neugier eher hinderlich hält, weil Leistung als wichtiger gilt denn Neugier und Forscherdrang. Früher konnte man experimentieren, heute wird das alles geblockt. Früher war eben alles besser!

Ich stimme ihn in vielen Punkten zu. Aber ich wollte gerne ein Buch, welches wissenschaftliche Themen erklärt. Und keines, in welchem mir aufgezeigt wird, was ihn an der Gesellschaft stört. Das wäre Thema für ein eigenes Buch gewesen, aber eines mit komplett anderem Inhalt. Ich meine, klar schmeckt selbstgemachte Konfitüre besser, weil man sich die Zeit für das Pflücken, Waschen, Entkernen, Aufkochen, Eingießen, Abkühlen nehmen muss und es somit besser zu schätzen weiß, als wenn man sich für 70 Cent ein Plastikdöschen mit Marmelade kauft. Das hat für mich nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern das ist Gesellschaftskritik, und das ist ein anderes Buch.

Erste Hälfte des Buches: in Anbetracht der Tatsache, dass es für Laien geschrieben ist, absolut Top und sehr zu empfehlen. Als Fachmann sollte man wohl nicht herangehen, aber dafür ist es ja auch nicht gedacht. Für Interessierte jedenfalls absolut klasse, es macht Lust auf mehr und regt den Leser an, sich selbst weiter zu informieren. Infotainment der allerfeinsten Sorte.

Zweite Hälfte des Buches: wer gerne anderen Gutmenschen zuhört, wie sie erzählen, warum früher alles besser war und wie die Gesellschaft heute den Bach hinuntergeht, wird Gefallen daran finden. Wer auf Antworten zu den gestellten Fragen hofft, wird jedoch sehr, sehr schwer enttäuscht werden. Ich bin enttäuscht, so kannte ich Ranga  bisher nicht :(

SaschaSalamander 31.01.2011, 18.10

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