SaschaSalamander

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Der Märchenerzähler

michaelis_maerchen_1.jpgGestern habe ich den MÄRCHENERZÄHLER beendet, und mir liegt soviel auf der Zunge, ich möchte so unendlich viel erzählen! Nun, ich habe immerhin eine sehr hübsche Zitatensammlung, die ich diese oder nächste Woche noch vorstellen möchte aus diesem Buch. In vielen anderen Rezensionen, die ich heute nach Beenden gelesen habe, fand ich kurze Zitate, und ich wusste in allen Fällen, wo sie standen, denn auch mir hatten sie so gefallen. Sehr eindringlich, einprägsam, keine flüchtigen Worte, sondern gemeinsame erlebte Momente vielmehr.

Eine Sache gibt es trotzdem, die mir sehr aufstößt. Oder die mich unangenehm berührt, wie man es nimmt. Ich habe das Buch als Erwachsene gelesen. Bei manchen Jugendbüchern vergesse ich, dass es eigentlich für Jugendliche ist und gehe völlig darin auf, vergesse alles um mich herum. Das war hier der Fall. Deswegen las ich es mit meinen persönlichen Augen, mit meinen mir eigenen Erfahrungen. Und alles, was im Buch geschrieben wurde, hätte exakt so passiert sein können. Es ist realistisch und möglich. Und ich kenne sehr viele Menschen, die so handeln würden und kann auch alles, was geschrieben wurde, sehr gut nachvollziehen.

Doch das Buch ließ mich nicht mehr los, und auch danach habe ich noch sehr viel nachgedacht. Und wenn ich bedenke, dass das Buch für Jugendliche ist, muss ich über die Vermarktung mal wieder den Kopf schütteln. Denn der Inhalt ist definitiv nicht geeignet für Jugendliche. Es ist eher für junge Erwachsene, ich würde sagen so um die 19 oder 20 plus. Klar kann man es auch als jüngerer Mensch lesen, aber mir wäre nicht wohl dabei, einem 16jährigen Mädel möchte ich dieses Buch nicht gerne in die Hand drücken. Denn es wird etwas vermittelt, das so nicht sein sollte.

Hm, wie in Worte fassen, ohne zu spoilern und denen, die es kennen dennoch zu sagen, was ich meine? Nun, es geht ab Seite 300 etwa auch um das Thema Vergebung (Hinweis: Bootshaus). Ich finde es gut, wenn ein Mensch verzeihen kann, und ich ziehe meinen Hut vor der Person im Buch, diese Größe hat nicht jeder. Und dennoch muss ein Verhalten zu Konsequenzen führen, gerade in diesem Fall. Nicht vielleicht einem Bruch oder einer Trennung oder einer juristischen Sanktion. Aber man muss darüber reden, Dinge abklären, man kann einige Sachen nicht einfach ignorieren. Dies jedoch geschieht im Buch nicht. Es wird verziehen, doch es folgen keine Konsequenzen, kein klärendes Gespräch. Und das Bild, welches für Jugendliche entstehen könnte, gefällt mir nicht. "Die wahre Liebe" wird hier gleichgestellt mit selbstzerstörerischen Elementen.

Für erwachsene Leser ist das okay. Die brauchen in dieser Form kein Vorbild mehr. Außerdem haben sie hoffentlich inzwischen ihren Weg gefunden. Jugendliche dagegen könnten mit verklärten Augen Dinge sehen, die so einfach nicht richtig sind, sein sollten. Jeder darf handeln, wie er will, ich erlebe das immer wieder, und ich könnte heulen, wenn ich dann solche Menschen vor mir sitzen sehe, wenn ihr Leben den Bach hinuntergeht und sie aus edelsten Motiven handelten. Aber ich möchte dies nicht als Vorbild für pubertierende Teenager, die noch auf der Suche nach sich selbst sind empfehlen müssen.

Und dann gibt es noch etwas, das mich wundert. Sehr viele sagen, man könne nichts über das Buch erzählen ohne zu spoilern. Gut, die Sprache zu beschreiben fällt mir nicht leicht. Aber der Inhalt, den kann ich eigentlich recht gut erklären, und ich empfinde es nicht als "zuviel" (obwohl ich da selbst doch sehr pingelig bin). Außerdem sagen sehr viele, dass die Geschichten "wahr würden". Dies impliziert, dass die fiktiven Geschichten auf einmal real geschehen, so wie etwa bei TINTENHERZ. Es lässt an Fantasy-Elemente denken, wo keine sind. Dabei kann man doch einfach sagen, dass der Märchenerzähler die Realität in Märchen packt und das momentane Geschehen in feine Worte spinnt, hinter denen sich die Wahrheit versteckt. Das klingt dann schon nachvollziehbarer. Ich denke, dann hätte ich das Buch auch eher gelesen, weil ich nicht mit einem "schon wieder Mainstream Fantasy" gerechnet hätte.

Jedenfalls hat mich das Buch sehr, sehr begeistert, es ist eines der Highlights der letzten Wochen und wird sich vermutlich auch in der Jahresstatistik zu einem DER Bücher des Jahres 2011 entwickeln.

Aber gut, all dies sind Gedanken, keine Rezension. Ich werde mich bemühen, noch eine sachliche, neutrale Rezension zu schreiben ;-)

SaschaSalamander 07.04.2011, 17.52

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Sonja

Ich bin bei dem Buch etwa auf S. 60 und komme bisher gar nicht damit klar. gerade die Sprache bereitet mir Probleme. Ich versuche zwar immer, daran zu denken, dass es ein Buch für Jugendliche ist/sein soll, aber es ist einfach nicht mein Fall. Dazu gehören so Satzteile wie "...ging die Straße ein Stück weit hinunter", "...aus rot-blau-buntem Plastik", "...mitten zwischen den Tischen..."
Aber ich geb dem Buch nochmal 50 Seiten und schaue, ob es mir bis dahin besser gefällt.
LG
Sonja

vom 08.04.2011, 13.41
Antwort von SaschaSalamander:

Die Sprache ist sehr gewöhnungsbedürftig. Ich liebe sie, aber ich kann verstehen, wenn Dir das nicht zusagt. Sie schreibt stellenweise auch ein wenig umgangssprachlich, das ist sehr ungewöhnlich und würde von anderen Lektoren in anderen Büchern vermutlich sogar überarbeitet werden. Zu diesem Buch aber passt es, finde ich ...

ich denke, wenn Du momentan nichts damit anfangen kannst, wird es auch später nichts mehr werden, zumindest sprachlich. Inhaltlich allerdings wirst Du auf ein paar Dinge stoßen, die Dich vielleicht doch zum Weiterlesen animieren, die Handlung ist sehr spannend ab dem ersten Mord ...

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