SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Der Menschenmacher

mcfadyen_menschenmacher_1.jpegIch habe den Menschenmacher nun also komplett gehört, und ich habe einige Tage überlegt, ob ich reine Rezension schreibe oder nicht. Ich weiß nicht so recht, was ich mit dem Buch anfangen soll und wo ich die Rezension festmachen soll. Aber gut, ich werde es trotzdem versuchen, weil ich weiß, wie viele Leute dieses Buch aktuell lesen, und wie viele Leser an einer Meinung zu diesem Titel interessiert sind.

David, Charlie und Allison wurden von einem alleinstehenden Mann adoptiert, Bob Gray. Dieser ist jedoch kein liebender Vater, sondern er scheint ein geisteskranker Mann, der ihnen seine Weltansicht ins Gedächtnis bläut. Brutale Erziehungsmethoden, anfangs herzlos, später immer grausamer und unmenschlicher. Sein Ziel ist es, die Kinder zu Übermenschen machen, angelehnt an Nietzsches Theorie. Er geht so weit, dass die Kinder sich eines Tages nicht mehr zu helfen wissen als ihn zu töten. Und dann trennen sich ihre Wege. Bis sie eines Tages jeweils eine Nachricht erhalten, die sie zusammenführt. Jemand bezieht sich auf Bob Gray, doch der ist tot, und niemand als er könnte von dem wissen, was damals geschah ... für die drei Freunde beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Sie müssen sich der Frage stellen: "Wie weit würdest Du gehen, um das zu verteidigen, was Dir am meisten bedeutet?"

Nun, es ist nicht leicht, etwas über diesen Roman zu schreiben. Viele zerreißen ihn, teils weil Smoky Barret nicht darin vorkommt (das dürfte man aber sehen, wenn man den Klappentext liest. Das ist, als würde man eine Kartoffelsuppe schlechtreden, weil sie keine Spaghetti enthält). Andere finden ihn sterbenslangweilig. Und wieder andere sind hellauf begeistert ob der ungewöhnlichen Idee, die sich mal so ganz von dem Mainstream - Thriller - Einheitsbrei befindet.

Meine Meinung liegt irgendwo dazwischen.

Ich habe mich sehr gut unterhalten. Die Story ist tatsächlich mal ungewöhnlich aufgebaut und ungewöhnlich erzählt. In der Regel hat man einen Ermittler und einen Täter, und diese liefern sich bis zum Ende einen Wettkampf, in dem meist das Gute gewinnt. In diesem Fall ist das Gute nicht vom Bösen zu trennen. Denn die Kinder, welche Böses erlebt haben, wurden selbst zu Mördern. Und statt es dabei bewenden zu lassen, geht es weiter. Sie gründen eine Hilfsorganisation gegen Kinderprostitution, und David und Charlie entledigen sich der Täter auf definitiv illegalem und grausamem Wege, das Töten geht weiter. Nein, Töten ist nicht gut, selbst wenn man einen "Bösewicht" tötet. Und als sie dann bedroht werden, müssen sie einen anderen Menschen töten, um das Leben ihrer Freundin / Tochter zu retten. Würden sie so weit gehen und dieses Mal einen unschuldigen töten? Sofern eine Frau, die in einer Klinik Abtreibungen durchführt, überhaupt unschuldig sein kann? Und auch beim Täter wird sehr schnell klar, dass die Frage "angeboren oder anerzogen" sehr wichtig ist. Wie frei ist der Wille eines Menschen tatsächlich, wenn er von Geburt an indoktriniert wird?

Dann ist die Erzählweise recht interessant. Sie springt zwischen verschiedenen Zeitebenen und verschiedenen Orten. Größtenteils in der Gegenwart, sehr viel auch in der Vergangenheit der drei Kinder. In der Gegenwart erfährt man mal mehr über die Hilfsorganisation, dann begleitet man David auf dem Weg zum Töten der Engelmacherin, erfährt mehr aus Allisons Leben, über die Hintergründe von Charlies Kindheit vor Bob, und in Form von Tagebüchern und Gesprächen erfährt man mehr über das, was Bob abgesehen von dem Erzieher an den Kindern noch war: Ehemann, Vater, Soldat, gequältes Kind.

Eigentlich eine prima Idee, so das grobe Ganze. Aber trotzdem vermochte all das mich nicht zu fesseln. Es wurden zuviele Themen ineinandergemixt, und keines davon wurde wirklich erschöpfend behandelt. Kinderprostitution ist schrecklich, das wird angesprochen. Aber das wussten wir schon vorher. Die Frage, ob das Verhalten, das Denken und Fühlen eines Menschen angeboren oder erlernt sind (nature or nurture) wird angesprochen aber auf eine reißerische Weise, die dem Thema nicht gerecht wird und lediglich schockieren soll, wie brutal dieses "nurture" sein kann, wenn man Zigarettensummel, Gürtelschläge, Demütigungen einsetzt. Dass Gut und Böse oft nur zwei Seiten der exakt selben Medaille sind, wussten wir auch schon, und wieder wirkt es hier nur halbgar. Alles in einen Topf geworfen, schon haben wir einen ganz besonderen Thriller, der anders sein soll als alle zuvor. Weniger ist manchmal mehr, denke ich mir, und weniger hätte diesem Roman sichtlich gut getan.

Während des Schreibens gerade fällt mir auch auf: man kann fast nicht spoilern. Denn alles, was wichtig ist, wird bereits beim Klappentext oder einer kurzen Beschreibung des Buches genannt. Ein paar Details folgen noch, gut, und das Ende. Das Ende kann man sich nach kurzer Zeit denken (in diesem Fall bin ich mir ziemlich sicher, dass es nicht nur mir so ging, sondern es war wirklich sehr einleuchtend von Beginn an). Im Grunde hat der Roman kaum eine Handlung, sondern besteht vielmehr aus einer Erzählung von damals und heute.

Zuviele Theorien werden dem Leser zwischen den Zeilen dargeboten, vermixt mit brutalen Tötungen, einer kräftigen Fäkalsprache (jedoch deutlich gemäßigt zu seinen anderen Büchern). Nichts Halbes und nichts Ganzes.

Für mich blieb nach dem Hören noch immer die Frage: was wollte der Autor mir jetzt eigentlich sagen?

SaschaSalamander 14.03.2011, 09.33

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