SaschaSalamander

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Leona - Die Würfel sind gefallen

Bankraub: Ein kleines Mädchen steht nackt und blutüberströmt in der Bank, spielt eine Nachricht von Band ab und verschwindet mit dem ihr ausgehändigten Geld. Der Fall sorgt für Wirbel, und Leona wird mit den Ermittlungen beauftragt. Doch Leona hat privat ganz andere Sorgen - das Aufdecken des Falles und das Lösen ihrer privaten Probleme stellt einen Widerspruch dar. Also muss sie versuchen, die Arbeit voranzutreiben ohne wirklich die Hintergründe der Tat aufzuklären. Wie lange kann sie ihr Spiel geheimhalten?




Es handelt sich um den Debutroman der jungen Autorin Jenny Rogneby. Sie hat unter anderem Kriminalistik studiert und als Ermittlerin gearbeitet. Geboren wurde sie in Äthiopien, aufgewachsen ist sie in Schweden. Ein schwedischer Krimi aus der Hand einer jungen Ermittlerin, das klingt sehr vielversprechend, und die Handlung machte mich sofort neugierig. 

Der Erzählstil ist in vielerlei Hinsicht typisch für nordische Krimikost. Ein kaputter Ermittler mit so vielen Problemen, dass die Charakterisierung und das Privatleben des Protagonisten einen Großteil des Buches ausmachen. Während mich das sonst oft stört, hat die Autorin hier sehr gute Arbeit geleistet. Mir gefiel ihre Darstellung der Antiheldin: emotionslos, nahezu soziopathisch, im Alltag angepasst an die Erwartungen der Mitmenschen. Nein, sympathisch ist Leona sicher nicht. Schwierig fand ich allerdings, dass ich wenig für Leona empfand - ich halte es wichtig, dass der Protagonist Gefühle beim Leser erzeugt, sei es Sympathie oder starke Abneigung. Durch ihre Emotionslosigkeit war sie mir auf gewisse Weise gleichgültig, sodass ich zwar neugierig auf das Ende war, aber an keinem Punkt komplett mitfieberte. Manche der Erklärungen (Elternhaus, Kindheitsgeschichte) wirken ein wenig wie Laienpsychologie. Ob dies an den Kürzungen des Hörbuches liegt (und im Roman ausführlicher beschrieben ist), vermag ich allerdings nicht zu sagen.

Die Handlung ist relativ geradlinig, wechselt zwischen Leonas Sicht und dem Blickwinkel des Mädchens. Bis auf einen kleinen Twist zu Beginn (der in manchen Rezensionen und Beschreibungen bereits als Teil der Inhaltsgabe verraten wird) gibt es keine überraschenden Wendungen. Es geht weniger um die Frage "wer ist der Täter", sondern "wird man den Täter überführen, oder kommt er davon". 

Der Spannungsblogen verläuft relativ gerade, das Buch kommt ohne Actionszenen aus, lebt vielmehr von dem Versteckspiel Täter / Polizei. In der Mitte allerdings zieht es sich etwas in die Länge: Der Leser kennt den Täter, und das ständige Hin und Her zwischen den Parteien treibt nicht die Handlung voran, tritt immer wieder auf der Stelle. Es gibt einige Passagen, die sehr unlogisch scheinen, sodass ein bisschen vom Lesespaß verlorengeht. Das Ende dann wird wieder stark gerafft, es gibt einen packenden Showdown. Der Fall ist (wieder mit einen sehr unlogischen Szenen) abgeschlossen, doch es gibt einen Cliffhanger für den zweiten Band (Leona ist als Trilogie angelegt). 

Es fällt mir schwer zu sagen, ob die folgenden Kritikpunkte der Tatsache geschuldet sind, dass es sich um eine Trilogie handelt und das Hörbuch gekürzt wurde, oder ob es eine Schwäche der Autorin ist, die zwar sehr gut schreiben, aber noch nicht so gut plotten kann. Stellenweise hatte ich das Gefühl, dass die Autorin einfach anfing zu schreiben und selbst noch nicht so recht wusste, in welche Richtung sich das Buch entwickeln wird.

Im Buch werden Charaktere vorgestellt, die zwar einigen Raum einnehmen, im Grunde jedoch absolut unwichtig für die Handlung sind. Warum erschafft eine Autorin nutzlose Charaktere mit viel Potential, um ebendieses Potential dann sinnlos verpuffen zu lassen? Es gibt Andeutungen, die niemals aufgegriffen werden aber sosehr auf den aktuellen Fall bezogen wirken, dass ich kaum glaube, dass sie im zweiten Band aufgegriffen werden. Auch verhalten einige der Figuren sich sehr unlogisch und nicht nachvollziehbar (dies genauer zu erklären ist ohne Spoiler leider nicht möglich). Außerdem gibt es sehr viele Themen, die angeschnitten werden, zuviele um all dieser komplexen Inhalte als Autor wirklich Herr zu werden, wenn man sie nicht nur anreißen sondern wirklich ausführen möchte.

Dafür, dass die Autorin als Ermittlerin bei der Polizei gearbeitet hat, wundere ich mich über viele der unrealistischen Situationen. Arbeitet die Polizei wirklich so schlecht, dass solche offensichtlichen Fehler niemandem auffallen? Agieren Beteiligte eines Bankraubes wirklich so seltsam? Einige Male fühlte ich mich als Leser nicht ernst genommen, wenn eine offensichtlich unrealistische Szene präsentiert wurde. 

Ob das vollständige Buch besser ist (weil manches deutlicher erklärt wird) oder schlechter (weil es sich noch mehr zieht als an manchen Stellen des Hörbuchs) kann ich leider nicht vergleichen. Aber trotz gewisser Längen und trotz vieler Logikbrüche habe ich mich sehr gut unterhalten. 

Die Idee, welche die Autorin als Grundlage für ihren Krimi nutzt, ist zwar nicht neu, dafür aber sehr ungewöhnlich und noch recht unverbraucht. Mir gefällt das, und ich war sehr gespannt, was sich aus dieser Situation ergeben wird. Das Katz- und Maus-Spiel war interessant inszeniert, und es gefiel mir, wie auch ohne Blut und Gewalt eine unterschwellige Spannung aufgebaut wurde.

Außerdem mag ich die Sprecherin Julia Nachtmann. Sie spricht die Romane von Nele Neuhaus. Ich selbst kenne sie vor allem aus den Krimis von Monika Feth sowie Poznanskis Eleria-Trilogie. Sie hat eine angenehme, ruhige Stimme, der ich gerne zuhöre. Vor allem durch sie wurden auch die etwas längeren Passagen angenehm zu hören, und die Zeit mit den 4 CDs verging wie im Flug. 

Zu sagen "ich kann es nicht erwarten, den zweiten Teil zu lesen" wäre gelogen, sosehr hat das Buch mich nun doch nicht bewegt. Aber ich bin neugierig, ob die oben genannten Kritikpunkte möglicherweise der Trilogie geschuldet werden und die interessanten (aber bisher leider unwichtigen) Charaktere nun eine größere Rolle erhalten werden. LEONA ist also nicht gerade der absolute Must-Read dieses Herbstes, aber auf jeden Fall unterhaltsame und vor allem abwechslungsreiche Empfehlung für entspannte Krimiabende.

SaschaSalamander 07.09.2015, 09.10

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