SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Triffst Du Buddha an der Bar

rinzler_buddha_1.jpgVORAB

Da ich bereits einige Bücher des >Verlages< gelesen habe (besonders >FREIGANG< hatte mich sehr inspiriert, ebenso die Werke von Brad Warner), war ich neugierig auf weitere Bücher der Kategorie "unkonventionelle Lehre", was Rinzler mit seinem Titel verspricht, und habe mich bei >BloggDeinBuch< hierfür beworben.


AUTOR

Lodro Rinzler ist Autor und Meditationslehrer der Shambala-Richtung. Im Buch steht wenig über seine Tradition und sein Wirken, im Internet sollte man des Englischen mächtig sein, wenn man tiefer graben möchte, denn auf Deutsch findet sich nicht allzu viel über ihn. Ein interessantes Interview auf der Seite >Connection< habe ich allerdings gefunden.

INHALT, THEMA

>TRIFFST DU BUDDHA AN DER BAR< ist ein Buch rund um "Dharma, Karma und das pralle Leben". Kurz gesagt, ein Buch voller Lebensweisheit, das helfen soll, den Alltag zu bewältigen, ausgerichtet an der Shambala-Meditation, welche der Autor praktiziert und lehrt. Er möchte den Leser lehren, sich selbst anzunehmen, sich selbst zu lieben, dadurch für sich und die Umwelt Positives zu wirken. Dies jedoch nicht auf eine fanatische religiöse oder gar abgehobene spirituelle Weise, sondern lebensnah und realistisch. Was mir besonders gefällt und was es von vielen Ratgebern abhebt ist die Einstellung, dass der Mensch dass er an sich arbeiten sollte (Einstellungen überarbeiten, lernen mit Situationen umzugehen, Mitgefühl entwickeln, Dankbarkeit empfinden usw), dass er grundlegend jedoch okay ist. "Dich musst Du nicht ändern. Du bist großartig. Das Buch befasst sich einfach nur damit, wie Du Dein Leben voll auskosten kannst".


AUFBAU

Dieses Ziel setzt er um, indem er die Vier Würden von Shambhala und die drei Yanas (Fahrzeuge) des traditionellen tibetischen Buddhismus erklärt. Jede der Vier Würden beschreibt er anhand eines Tieres: Tiger (Sanftmut), Schneelöwe (Mitgefühl), Garuda (befreiter Geist) und Drache (Güte). Anhand sehr schöner Beispiele wird geschildert, wie die Besonderheiten dieser Tiere sich im Alltag widerspiegeln. Der Autor zeigt dem Leser auf, welche Ressourcen in ihm stecken und wie er diese aktivieren und trainieren kann. Es gehört nicht viel dazu, oft sind es nur kleine Übungen, Methoden, manchmal sogar nur Denkanstöße, die zu einer bewussteren Wahrnehmung der Situation führen.

Die Kapitel sind den Tieren gewidmet, jedoch fließt dies eher gelegentlich in den Text ein, als dass es streng danach gegliedert wäre. Überhaupt ist eine "strenge Gliederung" etwas, das man in diesem Buch vergeblich sucht. Der Autor widmet sich dem jeweiligen Tier und dessen Eigenschaften recht unorthodox auf spielerische Weise, ohne dabei eine klare Richtung zu fahren. Einerseits finde ich das sehr gut, denn die Vermittlung der Information gelingt ihm sehr gut, es liest sich flüssig und klar. Doch ich mag es, wenn das Kapitel mir vor dem Lesen einen Ausblick auf das Kommende gibt und ich im Nachhinein gezielt Dinge nachschlagen kann. Dies ist mit diesem Aufbau und dieser Kapiteleinteilung nicht möglich. Wer also gezielt mit dem Buch arbeiten möchte, sollte sich Notizen am Rand machen und gelegentlich Post-Its als Lesezeichen setzen.


ZIELGRUPPE

Für Kenner der Thematik mag manches etwas zu einfach aufbereitet sein, sind manche Beschreibungen und Übersetzungen unnötig. Aber für Kenner und Fachleute ist das Buch auch nicht gedacht, sondern für jeden, der einfach einmal seinen Blickwinkel verändern und auf dem buddhistischen Weg versuchen möchte.

Sprachlich wendet er sich dabei besonders an junge Erwachsene. Jedenfalls versucht der Autor oft, betont lässig zu wirken, es wird (provokant aber nicht bösartig) geflucht und auch mal betont oft "verdammt" gesagt oder immer wieder Sex und Alkohol eingebracht. Auf diese Weise wird gezeigt, dass Meditation, Buddhismus und Spiritualität nicht zwangsläufig mit Askese gleichzusetzen ist und man auch als gesunder Mensch im Alltag praktizieren kann, ohne deswegen gleich zu einem Klostermönch werden zu müssen. Ich mag diese provokante Art, sie gefiel mir auch schon in Brad Warners Büchern (Hardcore Sen; Sex, Sünde und Zen; Zen wrapped in Karma dipped in chocolate) sehr gut, weil ich mich darin sehr gut selbst entdecken kann. Allerdings wirkt es bei Warner recht natürlich, ihm kaufe ich das ab, bei Lodro Rinzler wirkt es auf mich an manchen Stellen ein wenig gekünstelt, so als wolle er damit als Mittel zum Zweck die Zielgruppe erreichen, auch wenn er selbst von anderem Schlag ist. Inwieweit dies der Übersetzung geschuldet ist, vermag ich nicht zu beurteilen.

Da die Zielgruppe noch nicht sattelfest ist in den Begrifflichkeiten, wäre ein Glossar am Ende hilfreich gewesen. So muss man häufiger einmal durch das Buch blättern, um herauszufinden, welcher Begriff wo erklärt wurde. Oder man muss sich von Beginn an alle Begriffe und die zugehörige Seite notieren, um später sofort wieder die Erklärung parat zu haben.


SONSTIGES

Abgesehen vom etwas verschwommenen Aufbau und dem fehlenden Glossar ist das Buch ein kleines Schatzkästchen voller Weisheiten, die sich sehr gut im Alltag umsetzen lassen. Es gelingt Lodro Rinzler, den Blick zu schärfen für Dinge, auf die es wirklich ankommt. Oft nimmt man sich vor, dies oder jenes zu ändern, doch es fehlt der kleine Funke, der den Gedanken zur Tat werden lässt. Genau das macht der Autor: er bietet die Initialzündung, endlich damit anzufangen. Klar und direkt.

Mir gefällt besonders, wie anschaulich seine Beispiele sind. Er hat eine sehr bildgewaltige Sprache, die sich einprägt und einige Male für Aha-Effekte sorgt. Das, was er schreibt, ist das, was tatsächlich in uns liegt und was jeder von sich aus weiß, er schreibt nichts Neues, kein geheimes verborgenes Wissen, sondern das, was jeder täglich selbst denkt, fühlt und tut, oft ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Anfangs dachte ich "nette Auffrischung, kenn ich alles schon". Aber ich habe dieses Buch bewusst einige Zeit wirken lassen, bevor ich die Rezension schreibe, denn Bücher wie dieses eignen sich nicht zum Fastfood-Verzehr. Und die Wirkung - ja, ich merke, wie die Gedanken mich täglich begleiten und mir einige Szenen deutlich vor Augen stehen. Und genau DAS ist es, was der Autor bewirken will.

Wichtig finde ich, dass man das Buch nicht 1:1 übernimmt, sondern sich seine Gedanken über verschiedene Techniken macht, die er empfhielt. Nicht jede Übung halte ich für jeden geeignet. Dies erwähnt er jedoch nicht ständig (während Brad Warner z.B. mindestens einmal pro Kapitel fordert, das Buch wegzulegen und sich seinen eigenen Kopf zu machen und ihm sogar zu widersprechen. So oft, dass man sich dadurch bevormundet fühlt), sondern überlässt dies der Eigenverantwortung des Lesers. Er gibt Tipps, keine Regeln, und er lässt dem Leser die Freiheit selbst darüber zu entscheiden. Das beeindruckt mich, denn es ist der perfekte Mittelweg aus Dogma und "macht doch was Ihr wollt", den man in nur sehr wenigen Lehrbüchern findet.


FAZIT

Für Einsteiger aufgrund der unstrukturierten Form eine manchmal etwas unübersichtliche, aber dennoch flüssige Lektüre. Anschaulich, praktisch und lebensnah wird der Leser an buddhistische Grundlagen herangeführt. Ohne Zeigefinger, ohne Dogma, dafür mit jeder Menge Weisheit und Humor.

Wertung: 8,5 von 10 Samurai-Wecker

SaschaSalamander 05.02.2013, 15.42

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kein Kommentar zu diesem Beitrag vorhanden

Einträge ges.: 3848
ø pro Tag: 0,6
Kommentare: 2801
ø pro Eintrag: 0,7
Online seit dem: 21.04.2005
in Tagen: 6917
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3