SaschaSalamander

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Vögelfrei

andresky_voegelfrei_150_1.jpgSchon sehr viel habe ich seit Erscheinen von diesem Buch gehört. Weniger von Leuten, die es gelesen haben, als vielmehr durch die Vermarktung (wieder einmal). Es gibt Titel, an denen kommt man nicht vorbei, wenn man sich viel in Buchhandlungen und Bücherseiten im Web aufhält ...

Vögelfrei handelt von der Ich-Erzählerin Marei, die von ihrem Mann betrogen wurde. Sie darf die Sühne wählen und verlangt ein Jahr völlige Freiheit, sexuell und finanziell. Flieht von zu Hause und stürzt auch sofort in ihr erstes Abenteuer. Und so zieht es sie von einem zur nächsten, mal Männlein, mal Weiblein, mal extremer Hardcore-Sex (wird als SM bezeichnet im Buch, aber davon möchte ich bitte Abstand nehmen), dann kuschliges Blümchen mit sanften Verzauberungen und Liebesschwüren, ein andermal witzig-pornographisch mit Ernie + Bert, Tiffy, Pinocchio, Hanni und Nanni, Clowns und Pipi Langstrumpf. Am Ende des Jahres versammelt sie all ihre Freunde, Beziehungen um sich, die sie im Laufe der Zeit kennenlernte zu einem gemeinsamen Abschlussessen. Hier beginnt das Buch, und rückblickend erfährt der Leser in einzelnen Geschichten passend zum jeweiligen Gang des Menüs Mareis Geschichte, in der sich die Erlebnisse erst scheinbar unzusammenhängend, dann immer klarer verstricken bis hin zum tragischen Showdown.

Meine Meinung zu diesem Buch? Puh, ich könnte seitenweise schreiben, was mir aufgestoßen ist oder mir gefiel oder ich bemerkte, aber das ist es mir nicht wert. Das Thema gibt sehr viel her, und die Autorin hat versucht, so viel als möglich reinzupacken an kuriosen Eskapaden, eine extremer und schräger als die andere. Ein sexueller Höhepunkt jagd den nächsten, und dennoch ist das Buch in meinen Augen nicht wirklich erotisch, zumindest nicht nach meinem Geschmack. Wildes Rumgef*cke, ONS auf der Flugzeugtoilette oder beim Catering, mitten im Café, dazu völlig abgefahrene Situationen. Ein völlig irrer Lover, der irgendwann aggressiv wird, eine besitzergreifende Lesbe mit spiritueller Sinnsuche, ein ganz in Latex gehüllter Unbekannter, ein Vampirfreak will lebendig begraben werden, ein Mann mit implantierten Schnurrhaaren, ein Zeichentrickfreak mit allen möglichen verrückten Ideen zur Umsetzung als gebührenpflichtige Streamcam und derlei verrückte Dinge mehr.

Ich mag die Hauptfigur nicht wirklich. Ihr Verhalten ist unreif, naiv und unüberlegt, und ihre allerletzte Aktion am Ende hat mich in allem bestätigt, was mich schon das Buch über störte: ihr Verhalten dem Ehemann gegenüber. Sich zu rächen ist eine Sache. Ihn ein Jahr lang bluten zu lassen, finanziell komplett auszubeuten und ihn auch noch zu zwingen, bei allen Sessions zusehen zu müssen, teilweise nicht mal wirklich Spaß an der Sache haben, es aber trotzdem zu tun, nur um ihm eines auszuwischen ... herrje, die Frau hat noch einen langen Weg vor sich ...

Die Sprache ist zwar sehr direkt, sehr vulgär, aber doch irgendwie verharmlosend. Ich finde es witzig, wenn Autoren von sich behaupten, völlig schonungslos offen zu schreiben, dann aber von F*tzchen, T*ttchen, M*schen und ähnlichen niedlichen Dingen zu reden. Ich habe irgendwie das Schw*nzchen vermisst in ihren Beschreibungen, da war sie dann doch etwas deutlicher. Sind wir nun erwachsen, oder müssen wir drumrumreden? (meine Punkte zum Unkenntlichmachen nicht, weil ich drumrumrede, oder es nicht wage auszusprechen, sondern wegen Suchmaschinen)

Wie alle Personen zusammenhängen, hat mir einerseits sehr gefallen, so bekam das Buch am Ende eine vermeintlich komplexe Handlung. Auf der anderen Seite wirkt es zuletzt dann doch SEHR konstruiert, zwar von Anfang an geplant, aber doch sehr simpel. Ich habe das Buch vor allem deswegen bis zum Schluss durchgezogen, weil ich wissen wollte, was es mit der Schaufel auf sich hatte, und wie die Figuren nun zusammenhängen.

Was ich dem Buch zugute halten muss: ich habe sehr oft herzlich gelacht. Manchmal unfreiwillig von der Autorin, manchmal auch gewollt. Sie hat sehr gute Vergleiche, und wenn sie nicht gerade irgendeine saftige, klebrige, schmatzende, heiße usw Kopulation beschreibt, ist ihr Stil recht nett. Die Sexszenen wirken mir sehr maschinell, wirklich Lust kam da bei mir nicht auf, ich genoss dann eher die Interaktion mit den Personen, wenn man sich dann mal von Angesicht zu Angesicht gegenübersaß. Auch die Beschreibungen während des Dinners zwischendurch sind sehr gelungen.

Alles in allem ist es ein Buch, das man nicht wirklich gelesen haben muss. Man verpasst nichts. Auf der anderen Seite: es ist witzig, man kann mitreden. Und da es nur sehr kurz ist, ist es auch kein großer Zeitverlust. Also, andererseits, warum nicht, ...

SaschaSalamander 05.10.2010, 15.17

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