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Ausgewählter Beitrag
Mit einem Bein im Knast
Wir alle sind Verbrecher. Wir fahren zu schnell, wir stehlen Handtücher
aus Hotels, wir betrügen bei der Steuererklärung, wir saugen Filme aus
dem Internet. Doch zugeben würden wir es nie. Dabei beläuft sich der
volkswirtschaftliche Schaden solcher Untaten auf mehr als eine Billion
Euro pro Jahr. Wie wäre es, wenn man ein Jahr lang jeden Tag 24 Stunden
von einem Polizisten begleitet würde? Jürgen Schmieder hat es gewagt. Er
versucht, ein Jahr lang gesetzeskonform zu leben, im Einklang mit
unseren mehr als 100 000 Gesetzen und Verordnungen. Ein schwieriges
Unterfangen, wo ihn doch schon deren Lektüre schier in den Wahnsinn
treibt. Er sieht sich gezwungen, seine Frau anzuzeigen, verfolgt einen
russischen Milliardär, bekommt sogar eine Todesdrohung … Am Ende steht
die Erkenntnis, dass es viel zu viele Gesetze gibt, aber kaum jemand
dafür sorgt, dass die wirklich wichtigen eingehalten werden.
MIT
EINEM BEIN IM KNAST ist ein typisches Beispiel dafür, dass es
eigentlich zu wenige Genres in der gesamten Einteilung der Literatur
gibt. Die Bestsellerlisten entscheiden i.d.R. nach Romanen und
Sachbüchern. Titel wie dieser landen also zwangsläufig unter
Sachbüchern. Ich nenne sie allerdings gerne "Plauderbücher" (hab mal den besseren Begriff "narrative Sachbücher" gelesen): wenn ein
Journalist sich zu einem Thema schlau macht, einen Selbstversucht wagt
und dann ein Sachbuch darüber verfasst, wieviele Gesetze es gibt, wie
man glücklich wird, was es mit Nerds auf sich hat, wie man eine gute
Beziehung führt, usw. Oder wenn ein hart arbeitender Arzt / Tätowierer /
Telefon-Polizist / Undercvover-Polizist / Betsatter / Putzfrau /
Gerichtsmediziner / Lehrer / Knastarzt / Mordermittler /
Bundespräsidentenfrau von seinem ereignisreichen Arbeitsleben erzählt.
Alles, was diesen Büchern gemeinsam ist, trifft auch auf
MIT EINEM BEIN IM KNAST ZU: es fließen sehr viele persönliche
Erfahrungen ein, die Selbstdarstellung der eigenen Persönlichkeit und
Meinung steht dem eigentlichen Thema noch voran. Es bietet zwar dem Laien Informationen zum Thema, jedoch keinesfalls sachdienlich und didaktisch. Aber das erwartet der Leser auch nicht. Der Leser will
unterhalten werden und mehr erfahren über die schrägen Klienten,
schrecklichen Schüler, harten Tattoo-Boys, das Chaos unter deutschen
Betten und die Frage, wie man Glück und Erfolg erringen kann. Oder eben, welche schrägen Gesetze es gibt.
Ich habe das Buch gerne gelesen und mich gut dabei
unterhalten. Es hat ein paar nette Trivia geboten und mich einige Male
laut auflachen lassen. Der Autor schildert einige Gesetze, von denen ich
noch nie gehört hatte und die mich schmunzeln ließen. Ja, Deutschland
verwaltet sich eines Tages zu Tode, das wird hier wieder sehr deutlich.
Schade allerdings fand ich, dass der Autor maßlos
übertreibt und Dinge derart überspitzt, dass man meint, er legt es
regelrecht darauf an, alles ins Lächerliche zu ziehen. Es schwingt
zuviel Satire mit. Und oft fragte ich mich, ob er die genannten Dinge
tatsächlich getan hat (falls ja verstehe ich, wenn ihm ein Großteil der
Freunde die Freundschaft gekündigt hat). Es scheint für ihn nur
Schwarz-Weiß zu geben. Kein Gesetz wird aktiv, wenn ich zu Hause mit Freunden um Pfennigbeträge Poker spiele, selbst wenn Glücksspiel an
sich verboten sein mag. Man kann es auch übertreiben. Und wenn man es
übertreibt, kann man aus JEDEM Thema ein Buch machen ...
Ich hätte mir also gewünscht, dass das Thema etwas ernsthafter behandelt würde. Es gibt sehr viele Stolperfallen und auch Verlockungen im Alltag, die selbst gesetzestreue Bürger schnell ins Wanken bringen. Diese benennt er auch, räumt ihnen jedoch nicht mehr Gewicht ein als anderen, eher banalen Themen. Die Möglichkeiten, die das Thema "Kriminalität im Alltag" bietet, hat er nicht ausgereizt sondern fast alle verspielt.
Ich hätte mir also gewünscht, dass das Thema etwas ernsthafter behandelt würde. Es gibt sehr viele Stolperfallen und auch Verlockungen im Alltag, die selbst gesetzestreue Bürger schnell ins Wanken bringen. Diese benennt er auch, räumt ihnen jedoch nicht mehr Gewicht ein als anderen, eher banalen Themen. Die Möglichkeiten, die das Thema "Kriminalität im Alltag" bietet, hat er nicht ausgereizt sondern fast alle verspielt.
Durch all die vielen Nebensächlichkeiten wirkt das Buch
an einigen Stellen aufgebläht und unnötig, und ich habe nach einiger
Zeit viele Passagen nur noch übersprungen. Um etwa die Hälfte gekürzt,
hätte es dagegen ein recht amüsantes und zwar nicht lehrreiches aber dennoch informatives Buch über das deutsche Gesetz und seine Umsetzung im Alltag
sein können. So jedoch ist es ein reines Plauderbuch, das vor lauter
Selbstdarstellung leider immer wieder das Ziel vor Augen verliert und
die Inszenierung der Sachlichkeit vorzieht.
Trotzdem, ich habe es gerne gelesen.Denn wenn auch nicht bereichert, hat es mich immerhin unterhalten ;-)
SaschaSalamander 17.07.2013, 08.45
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