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Fünf Tage ohne Internet. Raus aus dem digitalen Stress, einfach nicht erreichbar sein. Digital Detox. So das Vorhaben einer Gruppe junger Leute, die dazu in ein ehemaliges Bergsteigerhotel auf den Watzmann in 2000 Metern Höhe reist.
Aber am zweiten Tag verschwindet einer von ihnen und wird kurz darauf schwer misshandelt gefunden. Jetzt beginnt für alle ein Horrortrip ohne Ausweg. Denn sie sind offline, und niemand wird kommen, um ihnen zu helfen ...
Arno Strobel, muss ich über ihn noch etwas erzählen? Ich denke, er ist bekannt genug. Daher ein paar von mir persönliche Gedanken zu seinen Werken: Außer der Bruderschaft habe ich bisher alles von ihm gelesen, und es ist immer ein sehr zwiespältiges Gefühl. Aber trotz meiner ständigen Kritik an ihm muss ich sofort jede Neuerscheinung lesen / hören und fühle mich in dieser Zeit allerbestens unterhalten. Und ich habe mich inzwischen damit abgefunden: was kümmern Plotholes, Logikfehler, simple Sprache und eine eher unrealistische Story, wenn es mich einfach verdammt gut unterhält und ich atemlos von Anfang bis Ende lese und den Alltag vergesse? Ich gucke mir ja auch keinen Horrorfilm an, um anschließend zu sagen "boah war das unrealistisch", warum also dieser mein Anspruch bei Büchern?
Ich möchte den Autor weder hoch loben noch will ich ihn bashen. Er löst bei mir eine Menge an widersprüchlichen Emotionen aus. Und die Tatsache, dass ich alles von ihm gelesen habe und stets auf seine Neuerscheinungen gespannt bin, dürfte zeigen, dass ich ihm wohlgesonnen bin, trotz aller Kritik ;-)
Beim Klappentext dachte ich sofort an ABGRÜNDIG, einen seiner Jugendromane, beim Lesen dann verstärkte sich dieser Eindruck. Aber abgesehen gibt es unzählige Bücher und Filme mit diesem Plot. Kurz: die Story ist nicht neu. Ist aber kein Problem, denn das Setting "abgeschnitten von der Außenwelt, ein Mörder geht um, und die Gruppe wird dezimiert" ist ja ein eigenes Untergenre des Krimi. DER Klassiker ist natürlich UND DANN GABS KEINES MEHR von Agatha Christie, und auch in der moderneren Literatur immer wieder ein beliebtes Thema (von dem ich nicht genug kriegen kann, selbst wenn ich mich im Anschluss ärgere, warum ich es schon wieder getan habe LOL).
Wie üblich bei diesen Titeln: Natürlich gab es zu Beginn eine Kontaktmöglichkeit, und natürlich wird diese zerstört. Man fragt sich, warum die Gruppe sich aufteilt, aber sie tut es, und natürlich geht immer jemand dabei drauf. Natürlich gibt es die verschiedenen Grundcharaktere, vom Coolen über die Sanfte über den Unsympathen über den Nerd und so weiter. Und natürlich ist das Ende relativ beliebig austauschbar, weil plötzlich eine Story aus der Vergangenheit erzählt wird, die nun als Motiv herhalten muss, und natürlich erzählt der wahnsinnige Täter haaaaaaarklein in aller Ausführlichkeit das Wie und Warum statt einfach sein Werk zu vollenden.
Wie hat Strobel das nun in seinem neuen Titel OFFLINE umgesetzt?
Das Thema "Offline" und "Digital Detox" waren im Grunde unnötig, das war wohl eher ein Aufhänger als ein tatsächlich notwendiger Storyanteil. Die Idee an sich war sehr schön, aber das hätte ich mir also tatsächlich etwas mehr ausgebaut gewünscht ("abgeschnitten von der Außenwelt" funktioniert, auch ohne das Handy mit viel Tamtam abgeben zu müssen). Da es aber nicht zur Story beitrug und das Gerede über Handies bzw die Diskussionen zu Beginn etwas aufblähten, hätte man es auch gut weglassen können.
Die Charaktere werden zu Beginn alle sehr ausführlich vorgestellt. Ist etwas müßig über mehrere Seiten hinweg, aber dafür geschickt eingebaut in das gegenseitige Kennenlernen der bunt zusammengewürfelten Reisetruppe. Die Charaktere sind recht einfach gebaut, und schon zu Beginn gibt es eine klare Vorstellung davon, wer sich später auf welche Weise einbringen wird, wen man mag und wen nicht. Im Laufe des Buches gewinnen die einzelnen Figuren eher wenig Tiefe, dazu wirken ihre Handlungen zu plakativ (vergleichbar einem Rollenspiel, wo der Krieger immer sofort zum Schwert greift, der Schelm etwas Lustiges sagt, der Zwerg trinkfest zum Krug greift usw). Aber, statt nur zu meckern (einen Grund muss ich ja haben, warum ich seine Bücher lese, obwohl ich alles kritisiere): da sie alle so klischeehaft dargestellt werden, gibt es wenig Verwechslungsgefahr, beim Lesen fliegt man einfach über die Figuren hinweg ohne groß nachdenken zu müssen. Macht es also perfekt für einen verregneten Tag am Sofa, wenn man mal Abstand braucht und dem Hirn eine kleine Pause gönnen möchte.
Stellenweise wurde es aber trotzdem anstrengend bzw nervend: die ständigen gegenseitigen Verdächtigungen und das immer erneute Wiederholen des Satzes "JEDER von uns kann es gewesen sein" und "wir alle hatten die Möglichkeit, dies zu tun". Alle paar Seiten beteuern sie sich gegenseitig immer wieder, dass man zwar prinzipiell keinen gesondert verdächtigt, aber dass man dennoch niemandem trauen kann. Hätte man einige dieser Szenen gekürzt, wäre das Buch viele Seiten kürzer geworden.
Irgendwann hat sich dann auch die Handlung wiederholt. Kurz gesagt: man macht sich auf die Suche. Findet etwas / nichts. Diskutiert über das, was man (nicht) gefunden hat. Dabei erfährt man etwas Neues über einen der Charaktere und diskutiert ausführlich, ob dies nun verdächtig ist oder nicht. Mit diesem neuen Wissen macht man sich erneut auf die Suche und findet etwas / nichts, und so geht es immer weiter.
Das führte dazu, dass ich ab etwa der Mitte des Buches anfing, nur noch zu überfliegen. Negativ formuliert: ich habe das Buch quergelesen und viele Seiten nur noch überflogen. Positiv formuliert: ich bin nur so über die Seiten geflogen, ein echter Pageturner. Ich glaube, bei Strobel gehen diese beiden Dinge Hand in Hand, und ich kann manchmal schwer sagen, was davon gerade dominiert ;-)
Ich denke, es ist so spannend, dass ich wissen will, wie es weitergeht. Und weil manches sich dann unnötig wiederholt, fange ich an zu überfliegen, um endlich von langezogener Handlung hin zu dem eigentlichen Kern zu kommen, der mich interessiert. Also diesmal eine Mischung aus beidem.
Das Ende dann kam sehr plötzlich, und dann war das Buch auch schon aus. Dies kam mir etwas zu abrupt, und ein paar Seiten zum Abklingen hätten mich gefreut. Gerne hätte ich gewusst, wie es weitergeht mit (mehrere Namen / Ereignisse aus Spoilergründen nicht benannt).
Ob das Ende realistisch war oder nicht, naja. Wie gesagt, in diesem Genre wird idR immer irgend etwas aus dem Hut gezaubert. Ich halte das für unrealistisch, aber wollen wir realistische Dinge lesen, bzw geben "normale Morde" und "rationale Motive" tatsächlich ein Buch ab, das zu lesen sich lohnen würde? Dennoch muss ich sagen, dass Strobel für mich fast jedes Mal den Bogen überspannt, sodass ich dann doch sage "neeeee, das war mir zuviel, geht echt nicht". Sosehr es mich nervt, wenn es mal wieder völlig an den Haaren herbeigezogen war - sosehr genieße ich es auch, mich hinterher darüber aufzuregen und gemeinsam mit meiner Partnerin darüber zu diskutieren, warum ich das jetzt total doof fand. An Tagen, an denen ich einfach Ablenkung will (ich WILL mich jetzt aber aufregen!!!), bereitet mir dies ebenso Freude wie an anderen Tagen die Diskussion über philosophisch tiefgründige Gedanken. Alles zu seiner Zeit ;-)
Einzig was ich schade finde, aber das betrifft nicht nur Strobel: ich finde die extrem detaillierten Beschreibungen der Tat und das Leid der Opfer unnötig. Auch ohne exakte Beschreibung, welches Körperteil auf welche Weise malträtiert wird und wie der Schmerz sich nun anfühlt und welches Folterinstrument nun zur Verwendung kam, ist mir als Leser die Dramatik der Situation bewusst. Aber gut, ich habe das Recht, diese Schilderungen zu überblättern. Es gibt wohl Leser, die exakt diese Szenen besonders genussvoll lesen (was ich ihnen herzlich gönne, ich zieh mir ja auch Slasher zu Gemüte, trenne diese Genres aber gerne voneinander).
Tja, und mein Fazit? Genau das, was ich erwartet hatte: ich ärgerte mich über das krude Ende, über das sinnlose Verhalten der Leute, über die platten Charaktere. Und trotzdem konnte ich es nicht aus der Hand legen und habe es an einem Tag ratzfatz durchgelesen. Bin nur aufgestanden, um mal kurz Nachschub in der Küche zu holen. Es war ein herrlicher Tag, an dem ich offline und ohne Handy einfach nur mein Buch genossen habe. Manchmal macht es mir eben Spaß, mich aufzuregen (lieber über fiktive Figuren als über reale Menschen). Wannimmer ich etwas von ihm lese, weiß ich, worauf ich mich einlasse, und ich tue es immer wieder gern. Ich bin dem Autor dankbar für die Stunden spannender Unterhaltung, die er uns Lesern zuteil werden lässt. Und natürlich werde ich mir das nächste Buch sofort wieder schnappen. Um mich hinterher wie gewohnt köstlich darüber zu ärgern. Ach, ich freu mich schon jetzt drauf ;-)
SaschaSalamander 20.11.2019, 09.46
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