SaschaSalamander

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Tag: Thriller

Porterville 15 - Im Garten der Schlangen

IM GARTEN DER SCHLANGEN führt weiter, wie es Jonathan und Emily im Draußen ergangen ist, nachdem Emily von Benedict auserwählt wurde. Wie der Leser erwarten konnte, ist nicht immer alles so, wie es scheint, und Jonathan sowie den Leser erwarten auf der Suche nach seiner Freundin einige Überraschungen. 

Diese Folge ist für weitere Antworten sehr wichtig und trägt einen großen Teil zur Klärung der Reihe bei. Allerdings muss ich zugeben, dass ich persönlich nicht ganz so viel mit dieser Folge anfangen konnte. Es lag nicht an Webers Schreibstil (der ist wie immer punktgenau und professionell), vielmehr an der Erzählperspektive. Der Erzähler ist eine mir bisher in der Reihe unbekannte Person (entweder neu eingeführt oder von mir übersehen, was bei der Vielzahl an Akteuren und meinem wenig ausgeprägten Personengedächtnis gut möglich ist), als Protagonist empfinde ich allerdings eher Jonathan oder im späteren Lauf der Verhandlung Benedict Rupert. Das führt stellenweise ein wenig zur Verwirrung, sodass bei mir nicht die rechte Atmosphäre aufkommen wollte und ich mich nicht wie sonst in die Charaktere hineinversetzen konnte, zusehr wurde ich zwischen Jonathan, Maurizio, Rupert und Landino hin- und hergewirbelt. 

Schlecht ist die Folge nicht, vor allem weil sie den Leser endlich dem Ende und der Auflösung näherbringt und viele Aha-Erlebnisse beschert. Trotzdem, das Porterville-typische Nägelknabbern fehlte, und trotz der an sich sehr spannenden Handlung, der drohenden Gefahren und der vielen Antworten wollte keine Stimmung bei mir aufkommen. Das Mitfiebern mit liebgewonnenen Charakteren fehlte aufgrund der ungünstigen Perspektive. Gerade gegen Ende wäre ich gerne näher bei meinen Freunden / Feinden.

SaschaSalamander 06.01.2014, 09.09 | (0/0) Kommentare | PL

Porterville 14 - Die Akte Richthofen

DIE AKTE RICHTHOFEN von Hendrik Buchna ist der 14te Teil um PORTERVILLE. Sie fällt etwas aus der Reihe, denn Handlungsort, Hauptakteur und Inhalt haben im ersten Moment einmal kaum etwas mit dem Rest zu tun. Sie handelt von einem jungen Mann, der einen toten Freund überführen möchte und dabei einer Verschwörung auf die Spur kommt. Die Zusammenhänge werden erst nach und nach klar, daher kann ich hier auch gar nicht näher auf den Inhalt, den Protagonisten oder den Kern der Verschwörung eingehen.

Zugegeben, das Setting ist nicht so ganz mein Ding, auch ein weiterer neuer Protagonist hätte meinetwegen nicht sein müssen. Es ist einfach nicht das, was ich normalerweise lese / als Film sehe, Land und Leute reizen mich wenig, auch das Thema selbst trifft dieses Mal nicht wirklich meinen Geschmack. Aber bei einer Folge von 18 Teilen ist das zu erwarten und völlig in Ordnung. Und was ich Buchna absolut zugute halten muss: obwohl mich die Story wenig interessierte, war ich vom ersten Moment an gefesselt, hatte sehr klare Bilder vor Augen und war dennoch absolut begierig darauf, zur nächsten Seite zu blättern und den Ermittlungen zu folgen. Das ist es, was einen hervorragenden Autor auszeichnet: Leser für etwas zu begeistern, an dem sie normalerweise kein Interesse zeigen ;-)

Trotz der wenigen Seiten ist es ihm außerordentlich gut gelungen, die Stimmung vor Ort einzufangen und an den Leser zu transportieren, die Kürze des Textes fiel diesmal inhaltlich nicht auf, war nur an der kurzen Lesedauer spürbar. Auch hier werden wieder einige Fragen geklärt, die Gesamtstory wird immer deutlicher, auch eines der unausgesprochenen aber angedeuteten Geheimnisse aus DARKSIDE PARK wird gelüftet. Und während die anderen Geschichten mit einem Cliffhanger enden, schließt diese Folge statt dessen mit einem kleinen Knall und einer weiteren Antwort. 

Eine kurze aber in sich absolut stimmige Geschichte, sehr gut vom Autor in Szene gesetzt und ein wichtiges Puzzleteil der Reihe. 

SaschaSalamander 03.01.2014, 14.24 | (0/0) Kommentare | PL

Porterville 13 - Die Ausgestoßenen

Folge 13 der Reihe PORTERVILLE entführt den Leser zusammen mit Jonathan und Emily ins Draußen. In einer der ersten Folgen machten die beiden Jugendlichen sich auf, die Welt hinter den Grenzen von Porterville zu erkunden, und DIE AUSGESTOSSENEN greift nun auf, wie es ihnen dort ergeht: sie stellen fest, dass das Draußen gar nicht so gefährlich ist und eigentlich sogar einem Paradies gleicht. Ob der Bürgermeister etwa den Menschen etwas verschweigen wollte? In ihrer Sorglosigkeit geraten die Teenager in große Gefahr, und ein geheimnisvoller Fremder rettet sie, führt sie zu einer geheimen Kolonie, wo Emily einen besonderen Menschen trifft, der ... tja, mehr verrate ich nicht ;-)

Der Wermutstropfen gleich zu Beginn: die Folge ist leider sehr kurz. Und die folgenden Episoden beinhalten ebenfalls nur rund 40 Seiten (worauf ich dann aber nicht jedes Mal eingehen werde). Ob es daran liegt, dass man flink alle Teile vor Weihnachten veröffentlichen wollte, oder ob die Geschichte einfach in dieser Kürze erzählt werden kann, weiß ich (noch) nicht, aber es hat mich ein wenig enttäuscht, gerne wäre ich doch etwas tiefer abgetaucht, und gerade bei so kurzen Texten fallen ein paar Seiten mehr oder weniger doch arg ins Gewicht, gerade was die Tiefe der Charaktere und den Inhalt des Textes betrifft (aber auch das Finanzielle). Bei der Bewertung schwanke ich doch sehr: man hat auf den wenigen Seiten das Beste daraus gemacht, hätte mit ein paar zusätzlichen Passagen aber noch etwas mehr herauskitzeln können ... sosehr die Folge mich begeisterte, hier hat mir ein bisschen gefehlt.

Nichtsdestotrotz wieder eine sehr schöne Folge, die hier sehr schön mit den Gegensätzen spielt. Vermeintliches Paradies, alles bunt und rosig, zwei junge Verliebte, Baden am See, Natur pur. Und plötzlich zack die Bedrohung. Natürlich ahnt der Leser bereits, dass nicht alles so harmlos ist, wie es im ersten Moment aussieht, trotzdem ist man geschockt über das, was passiert, fiebert mit Emily und Jonathan mit.

Immer mehr verbinden sich einzelne Folgen zu einem Gesamtbild, begegnen sich verschiedene Charaktere und werden Fäden vom Beginn der Serie nun langsam zu Ende gesponnen. Immer weniger Fragen werden aufgeworfen, der Leser bekommt dafür hier und da immer wieder eine kleine Antwort. Man merkt, dass die Reihe sich lansgam dem Ende nähert. Ich bin gespannt, in welche Richtung sich nun alles entwickeln wird.

SaschaSalamander 02.01.2014, 15.39 | (0/0) Kommentare | PL

Mindnapping 14 - Blutstern

Die aktuelle Folge MINDNAPPING 14 - BLUTSTERN ist nach >DER TRAUMTÄNZER< und >BEYOND THE CHINESE THEATRE< wieder ein Crossover. Diesmal mit Leon Kramer. Und ich muss zu meiner Schande gestehen - ich habe, glaube ich, schon mal irgendwo den Namen gehört, aber mir sagt diese Reihe überhaupt nichts. Keine Idee, wo ich das einordnen muss. Daher bewerte ich das Hörspiel rein als Fan der Reihe Mindnapping, ohne die Zusammenhänge beurteilen zu können. Aber ein gutes Crossover muss es schaffen, die Freunde beider Seiten zufriedenzustellen, auch bei Kenntnis nur einer Reihe. Zum Autor Markus Topf kann ich wenig aus eigener Erfahrung sagen. Er schrieb bereits für mehrere Serien, etwa Pollution Police, Team Undervocer, Mord in Serie oder Christoph Schwarz sowie Drehbücher für RTL2. Das meiste davon ist mir unbekannt, in zwei der Hörspiele habe ich schon einmal hineingeschnuppert, Topf als Autor allerdings fiel mir noch nie zuvor direkt auf. Na, wenigstens das hat sich ab heute geändert :-)

Zum Inhalt: Leon Kramer, deutscher Ermittler im Ruhestand, wird hinzugezogen, als ein Serienmörder in New York umgeht. Es scheint sich um Ritualmorde zu handeln, und Kramer soll die entscheidenden Hinweise entschlüsseln. Obwohl es anfangs sehr gut vorangeht, ist ihm sofort klar, dass mehr dahinter stecken muss, und bald wird es richtig gefährlich für ihn und sein Team. 

Die Story entwickelt sich ziemlich geradlinig. Auch, wenn es eine Wendung gibt, ist diese vorhersehbar und bietet keine Überraschungen. Die Handlung beginnt im Vorspann mit lauter Musik, einem Mord, und dann taucht auch schon Leon auf. Die Ermittlungen laufen absolut klassisch ab, bieten für meinen Geschmack keine nennenswerten Höhen oder Tiefen. Als ich im Hörspiel das Spezialgebiet von Leon Kramer erfuhr, freute ich mich bereits auf Mysterium, Düsteres und auch Knallhartes. Aber knallhart und düster wirkte auch mich nur der Einstieg, wobei sich das nach einem sehr derben Schimpfwort dann auch erschöpfte und danach eigentlich sogar recht zahm ablief. Bin ich schon sosehr abgestumpft? Oder ist Leon Kramer eher eines der softeren Hörspiele? 

Statt einer mitreißenden Handlung wird verstärkt Augenmerk auf ereignisreiche Szenen gelegt. Es kam dennoch keine wirkliche Spannung bei mir auf, mir fehlte der Biss, ich fühlte mich offen gesagt unterfordert, und das bin ich bei MindNapping nicht gewohnt. 

MindNapping bedeutet für mich vor allem unerwartete Twists, düstere Geheimnisse, eine packende Story und von Beginn an die Frage, wie diese anfangs stets krude und verwirrende Story sich am Ende auflösen wird. BLUTSTERN habe ich gehört, die Zeit verging recht rasch wegen meiner Werkelei nebenbei, und dann dachte ich plötzlich "wie, das wars schon? Kommt da nicht noch mehr? War es das wirklich schon alles?" Mir fehlte einfach der Aha-Effekt am Ende, das Besondere, das MindNapping normalerweise auszeichnet, der Höhepunkt am Ende. Und trotz der vielen Charaktere wurde wenig Tiefe eingebracht, man hätte definitiv mehr aus der Story machen können, sehr viel mehr. Vielleicht hätten ein paar mehr Minuten dem Hörspiel gut getan.

Ich muss ehrlich sein, neugierig auf Leon Kramer hat mich diese Episode nicht gemacht. Falls alle seine Fälle so geradlinig ablaufen, falls er auch sonst so brav und nett wirkt wie hier, dann fehlt ihm für meinen Geschmack einfach der Biss. Der Beschreibung entsprechend hatte ich eher mit ein paar rotzigen Sprüchen gerechnet, mit einem markanten Kerl, einem der dem Okkulten und Dunklen die Stirn bietet. Statt dessen wirkte Leon auf mich eher wie ein Ermittler aus dem Sonntag-Abend-Tatort. Vielleicht ist die Reihe um den deutschen Leon tatsächlich etwas zahmer als Mindnapping. Dann könnte sie mir, falls sie diesen Stil insgesamt durchzieht, vielleicht sogar gefallen. Aber in Verbindung mit MindNapping ist es meiner Ansicht nach denkbar ungeeignet. 

Aber das soweit zu meinem persönlichen Geschmack. Was die anderen Punkte betrifft, überzeugt AudioNarchie wie gewohnt mit herausragender Qualität. Die Sprecherliste ist dieses Mal enorm lang, 19 Namen werden genannt, unter anderem Patrick Bach, Helmut Krauss, Fabian Harloff, Oliver Böttcher. Es fiel niemand negativ heraus, aber es hat sich auch keiner besonders hervorgetan, es war ein sehr gutes Miteinander. Wenig Biss, aber das lag nicht an den Sprechern sondern an der Story, die Cast selbst hat gute Arbeit geleistet und herausgeholt, was möglich war. Trotzdem - 40 Minuten und 19 Sprecher, das ist eigentlich schon Verschwendung :(

Soundtechnisch die erste Minute im Club sei verziehen, dort ist die Musik ja tatsächlich stets lauter als der Text (auch, wenn das für ein Hörspiel ungünstig ist). Ansonsten empfand ich die Musik als sehr stimmig, sie unterstrich die Atmosphäre und fügte sich gut zum Rest des Hörspiels. Aber wie bei allen anderen Dingen: handwerklich absolut top, aber nicht herausragend erwähnenswert. Auch die Effekte waren gut eingespielt und zeigen, dass AudioNarchie ein Label ist, das sich vor den großen schon lange nicht mehr verstecken muss.

Naja. Jetzt fällt es mir schwer, eine Gesamtmeinung zu bilden. Für ein Hörspiel zwischendurch schon ganz nett mit der Musik, den Sprechern, der Unterhaltung. Für Mindnapping allerdings war ich dann doch etwas enttäuscht, weil ich - nicht handwerklich, aber inhaltlich - Besseres gewohnt bin. BLUTSTERN ist nicht schlecht, aber es passt nicht zu MindNapping und hat mich zwar nicht generell enttäuscht aber doch sehr unterfordert. Darf bei dieser Reihe eigentlich nicht passieren ... 

Wertung: 6 von 10 Pentagramme


SaschaSalamander 06.09.2013, 08.45 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Ins Kleidchen gezwungen

stepford_kleidchen.jpgNach dem Tod seines Vaters übernimmt Christian die Führung der kleinen Firma. Um die Geschäfte anzukurbeln, besucht er seine Familie im (fiktiven) Staat Missiona. Dort angekommen soll er erst einmal einen Test absolvieren, und danach wird sein Leben komplett umgekrempelt. Denn der Test ergibt, dass Christians Naturell vielmehr dem einer einfachen Hausfrau denn dem eines Geschäftsmannes entspricht! Also wird er - zu seinem eigenen Besten - gewandelt und auf eine Schule für frisch umoperierte Frauen geschickt. Während Christine nun also auf ihr neues Leben als Ehefrau, Hausfrau und Mutter vorbereitet wird, ziehen im Hintergrund korrupte Geschäftsleute die Fäden. Und dann ist da noch ein Reporter, der brisante Informationen herausgefunden hat, die belegen, dass der Test nicht immer nur zum Besten der Probanden geschieht ...

Sprachlich ist das Buch sehr einfach gehalten, es lässt sich flüssig und schnell lesen, ohne über komplizierte Konstrukte zu stolpern. Das macht es zu einer unterhaltsamen Lektüre für zwischendurch. Die gelegentliche Umgangssprache ist eher ungewöhnlich, was ich jedoch als angenehm empfand, da es zum unkonventionellen Stil des Romanes passt und beim Lesen eine gewisse Sicherheit vermittelt: der Autor vermittelt gekonnt die alltägliche, scheinbar normale Fassade, hinter der das wahre Grauen lauert. Denn die Umwandlung geschieht nicht immer zum Besten der Betroffenen, im Laufe der Handlung kommen immer mehr Einzelheiten des Tests, seiner Strippenzieher und Intrigen zutage. Der Widerspruch aus kleinbürgerlichem Äußeren und den wahren Hintergründen wirkt umso erschreckender, je drastischer die Gegensätze aufgezeigt werden.

INS KLEIDCHEN GEZWUNGEN verspricht vor der Lektüre bereits eine Genderthematik, außerdem klingt es nach einem dystopischen Thriller. Dominanz/Unterwerfung und SM spielen bei der Erziehung an der Schule ebenfalls eine Rolle. Auch Aspekte eines Wissenschafts- und Politthrillers werden angedeutet. Es fließt auch eine gewisse Gesellschaftskritik ein, die zwar nicht im Vordergrund steht aber doch immer wieder durchblitzt. Und natürlich ist da noch das überstilisierte Frauenbild, ebenfalls sehr kritisch beleuchtet und markant in Szene gesetzt. Das ist ziemlich viel für gerade einmal 192 Seiten, und genau das ist die große Stärke aber auch unübersehbare Schwäche des Buches:

Da kein klares Genre erkennbar ist, ist es nicht vorhersehbar. Erwartet den Leser ein Happy End, oder eskaliert die Situation ohne Möglichkeit der Wiedergutmachung? Wie hängen die einzelnen Handlungsfäden zusammen, und was wird mit Christine am Ende geschehen? Ich habe das Buch sehr schnell verschlungen, da ich es kaum erwarten konnte, zum nächsten Kapitel überzugehen und endlich mehr zu erfahren.

Es werden sexuelle (weniger erotische) Inhalte angesprochen, doch diese werden meistens eher angedeutet, sodass viel der Phantasie des Lesers überlassen bleibt. Das Thema der Umwandlung des Mannes in die Frau nimmt weniger Platz ein, als man eigentlich erwarten sollte. Das Innenleben der Charaktere wird nicht wirklich aufgezeigt, sodass der Leser eher ein Beobachter ist und die wahren Eindrücke Christians / Christines nicht erfährt. Dafür werden Zusammenhänge und Hintergründe des Tests umso genauer beleuchtet.

Was mich überraschte war der Anteil an ... nun ja, ich möchte beinahe sagen "Horror", der in diesem Buch kam. Ja, doch, Horror, denn dieser muss nicht immer blutig sein, man denke an die perfekten Frauen aus Stepford, so perfekt, dass es regelrecht unheimlich ist. Der Mann bestimmt, lenkt, führt, teilt das Geld ein, geht zur Arbeit, die Frau kümmert sich um Küche und Kinder und Haushalt. Und zur Krönung - zieht die Schwiegermutter zu ihrem Sohn *schauder*. DAS war der Moment, als es mir eiskalt den Rücken hinunterlief ;-)

Bei all diesen Stärken nun auch das, was ich etwas schade fand: das Buch hätte gerne doppelt so dick sein können. Entweder einige der Themen herausnehmen und die übrigen Inhalte etwas ausbauen, oder das Buch verlängern und allem etwas mehr Tiefe und Komplexität verleihen. Es wirkt stellenweise eher wie ein Gerüst als wie ein vollständiges Buch. Viele Dinge bleiben ungesagt, ich hätte gerne mehr erfahren über die Umwandlung und das innere Erleben der Protagonistin. Auch wäre es in kleinen Andeutungen und Nebensätzen interessant gewesen, worin der Staat Missiona sich noch von unserer aktuellen Gegenwart und Gesetzgebung unterscheidet. In Idee und Aufbau hat das Buch das Potential zu einem grandiosen dystopischen Thriller, hat jedoch leider einiges an Möglichkeiten verschenkt.

INS KLEIDCHEN GEZWUNGEN ist alles in allem also ein Buch, das weniger auf Recherche und Genauigkeit baut, dem man aber eines ganz deutlich merkt: der Autor hatte großen Spaß beim Schreiben, die Themen liegen ihm am Herzen. Und diese Faszination, diese Begeisterung überträgt sich von der ersten Seite an auf den Leser. Wer das Buch liest, wird auf der letzten Seite überrascht und enttäuscht sein, Missiona und seine Bewohner wieder verlassen zu müssen ;-)

Wertung: 7 von 10 Testergebnisse

SaschaSalamander 20.08.2013, 16.16 | (0/0) Kommentare | PL

Porterville 10 - Zero-Zero

Die aktuelle Folge 10 ZERO-ZERO von PORTERVILLE handelt von Higgins und seinen Versuchen. John Beckmann knüpft darin direkt an >4 - TRÄUME DER TERMITEN< an, und auch zu >09 - 14 Sekunden< entstehen sehr viele Querverbindungen. 

Der Schreibstil ist wie üblich wunderbar, ich mag Beckmanns ruhige Art, bei der die Aussage hinter den Worten zu finden ist. Diesmal wird er (für seine Verhältnisse) relativ deutlich, hält sich jedoch im Vergleich zu anderen Autoren selbst bei der Beschreibung einer ziemlich heftigen Szene sehr stark zurück, ist eher nüchterner Beobachter als mittendrin, was sehr gut zu dem sachlichen Stil des Wissenschaftlers passt und die Absurdität und Grausamkeit der Aktion umso dramatischer verdeutlicht, Dadurch wirkt es grausamer, als manch explizite Darstellung es hätte beschreiben können.

Mir hat die Folge gefallen. Allerdings gebe ich zu, dass ich sie diesmal nicht wirklich bewerten kann, weil sie mich zum ersten Mal ratlos und unzufrieden zurückließ. Ich habe das Gefühl, dass mir sehr viel entgangen ist, und ich weiß nicht, woran das liegt. Zwar ist das Gefühl "mir fehlt was" in allen Folgen normal, das macht ja gerade den Reiz der Serie aus, hier jedoch ist es eine andere Art von "fehlt was". Und was mich noch unzufriedener macht: ich weiß nicht einmal, warum das so ist oder woran das liegen könnte. Wenn ich sage "der Funke ist einfach nicht übergesprungen", dann ist das natürlich wenig aussagekräftig, aber anders könnte ich es nicht beschreiben. 

Trotzdem, ZERO-ZERO ist super geschrieben, liefert viele weiteren Puzzleteile und fügt sich nahtlos in die PORTERVILLE - Reihe. Insofern denke ich, dass andere Leser es genau anders sehen und gerade von dieser begeistert sind, wer weiß? Egal, macht nichts. Ich freue mich auf die nächste Folge PORTERVILLE, freue mich auf das nächste Hörspiel oder Buch von John Beckmann, und diese Folge hier werde ich mir wohl noch einmal zu Gemüte führen, wenn die Reihe zu Ende ist und ich dann manche Dinge besser verstehen kann. Und: dadurch, dass ich diesmal so absolut ratlos bin, bleibt sie mir umso besser im Gedächtnis und wird so richtig in mir arbeiten. Vielleicht war ja auch genau das beabsichtigt? ;-)

Außerdem: ich bin ab-so-lut dankbar für diese Folge. Ehrlich hatte ich schon seit einiger Zeit darauf gehofft, dass dazwischen einmal ein Abschnitt wäre, mit dem ich nicht ganz so viel anfangen könnte. Denn wenn ich immer nur Jubel schreie, frage ich mich selbst irgendwann, ob ich überhautp noch fähig bin, Kritik an etwas zu üben. Und diese Folge zeigt mir, dass PORTERVILLE tatsächlich grandios ist, und einzelne Folgen, die nicht die Bewertungsskala sprengen, sind immer noch okay ;-)

***********

Anmerkung, zwei Tage später: ich habe die Rezension bewusst geschrieben und zwei Tage gewartet, damit ich mir selbst etwas Zeit gebe. Im Nachhinein: wie erwartet habe ich viel nachgedacht, gingen mir einzelne Szenen und Momente nicht mehr aus dem Kopf. Die Begeisterung hat sich nicht eingestellt, aber das Verständnis wächst langsam, ich fühle mich etwas zufriedener, manches ist mir nun klarer. Ich denke, es ist eine Folge, die einfach Zeit braucht ...

SaschaSalamander 19.08.2013, 08.49 | (0/0) Kommentare | PL

Porterville 08 - Die Chronistin des Bösen

porterville08_1.jpgDIE CHRONISTIN DES BÖSEN befasst sich nun endlich mit der Person, auf die ich mit am meisten gespannt war: Eleanor Dare-Sato. Von Beginn an schon wirkte sie auf mich sehr ungewöhnlich, und es war klar, dass sie ein großes Geheimnis birgt. Hier erfährt der Leser nun, wer Eleanor ist, woher sie kommt, was sie antreibt.

Anette Strohmeyer, die bereits >PORTERVILLE 02 - DIE VERLORENE KOLONIE< verfasste, zeichnet sich auch für die aktuelle Folge verantwortlich. Mir gefällt, wie die Autoren Geschichten aussuchen / zugeteilt bekommen (?), die inhaltlich auch direkt zusammenhängen, sodass sie sich voll und ganz einem bestimmten Thema widmen können.

Damals führte uns Anette nach draußen, hier nun verbindet sie das Draußen und Drinnen mit dem Damals und Heute. Und auch hier: es geht weniger um Spannung als vielmehr um Zusammenhänge und neue Puzzleteile. Gemütlicher Erzählstil, Erinnerungen. Geschickt streut die Autorin diese ein, und langsam wird die Serie (im positiven Sinne) wirklich unübersichtlich. Man meint, endlich das Bild erfasst zu haben, plötzlich wird ein altes Puzzleteil entfernt, an eine neue Stelle gesetzt, das Motiv verändert sich, und man muss nun von neuem versuchen alles zusammenzusetzen. Was man zu wissen glaubte, wird durcheinandergewirbelt und neu sortiert. Ich wage zu behaupten, dass ich das meiste nun verstanden habe und die Serie endlich durchschaubar wurde. Aber ich vermute, im nächsten Band wird alles wieder über Bord geworfen. Und noch immer sind zu viele Fragen offen, als dass diese in wenigen Episoden geklärt werden könnten.

SPOILER
Interessant wäre, falls es am Ende sowas wie eine MindMap oder eine Zeitlinie gibt, in der die Zusammenhänge erläutert werden. Denn mal ehrlich: wenn die Gegenwart in die Vergangenheit gebracht wird und eine Person der Vergangenheit von draußen auf die Gegenwart von drinnen trifft und sich später in der Zukunft innen an die Vergangenheit draußen erinnert, wird es schon arg mindfucking. Erst recht, wenn in der heutigen Gegenwart draußen jemand anders Nachforschungen anstellte über die Vergangenheit damals, die ja eigentlich einmal Gegenwart war ... wessen Gehirn da keinen Knoten bekommt, den bewundere ich als Genie!
SPOILER ENDE

Und auch hier wieder das Phänomen, dass ich sagen möchte "war das Beste bisher". Aber das waren die vorherigen ja auch, und man kann es einfach nicht vergleichen, weil eben jeder Autor einen anderen Stil hat, weil jede Geschichte andere Aspekte Portervilles umreißt und andere Schwerpunkte im Storytelling beinhaltet. Das Besondere hier: von allen bisherigen Folgen empfinde ich die Charakterisierung des Protagonisten hier am intensivsten. Ihr Innenleben, ihre Fassade, ihr Alltag. Der Leser bekommt ungeschönten und wertneutralen Einblick in das, was Eleanor ausmacht.

Ist Eleanor zu verurteilen für ihr niederträchtiges Handeln? Hatte sie überhaupt die Chance, anders zu agieren? Was hätten wir an ihrer Stelle getan? Und wo wird sie enden?

Mögen andere sagen, dass es schneller vorangehen soll: ich finde das Tempo prima. Die Folgen wirken in mir nach, der Inhalt muss sich setzen, die Zusammenhänge erschließen sich erst während der Reflektion im Alltag. Und auch, wenn die einzelnen Bücher sehr kurz sind - Qualität schreibt sich nicht von selbst - es dauert, bis der Text erdacht, niedergeschrieben, lektoriert, gesetzt und veröffentlicht ist. Das ist es mir wert, darauf zu warten, so unglaublich schwer es auch sein mag :-)

SaschaSalamander 01.07.2013, 08.49 | (0/0) Kommentare | PL

Das Kind

daskind_1_1.jpgVORAB

Endlich habe ich DAS KIND gesehen. Die ersten Bücher von Fitzek haben mich ja absolut begeistert, er ist ein Meister des Mindfuck und grandiosen deutschen Thriller. Okay, bei den neueren Werken hätte ich mir ausgegorenere Erklärungen für die Geschichte gewünscht, aber man kann nicht nur TopTitel schreiben, ich lese die neuen Sachen trotzdem gerne. Der Ruf nach einer Verfilmung war da also schnell laut.


ÜBER DEN FILM

Im Internet konnte man den Entstehungsprozess und das Crowdfunding mitverfolgen, die Fans wurden mit ihrer Beteiligung in das Projekt eingebunden, von Finanzierung über Plakatgestaltung, Erwähung im Abspann usw. Daher wurde der Film natürlich heiß erwartet und war lange Zeit DAS Thema Nummer eins unter Thrillerfreunden.


MEINE ERWARTUNGEN

Nun ja, was soll ich sagen. Meine Vorfreude: ein Thriller von Fitzek, und noch dazu einer der besten. Meine Sorge: ein deutscher Film, auweia! Leider hat sich die Sorge bestätigt, und ich möchte Fitzek raten, sich lieber auf das Schreiben zu konzentrieren. Obwohl der Film sich sehr um Internationalität bemühte, ist es ein sehr deutscher Film geworden. Und was die Deutschen und ihre Filme betrifft, nun ja, da scheiden sich die Geister, ...


INHALT

Zum Inhalt nur kurz so viel: der 10 jährige Simon behauptet seit der Rückführung, dass er ein Serienmörder sei und noch einmal morden werde. Er kann den Anwalt, der eingeschaltet wurde, sogar zu einem der Opfer führen.


INTERNATIONAL

Der Film stammt aus Deutschland. Es wurde dennoch versucht, ihn international zu gestalten. Das heißt, er wurde in Berlin gedreht (die dreckige Gegend passt so richtig zum düsteren Ambiente, das ist durchaus gelungen, man hat ein paar herrlich dunkle Ecken ausgegraben), aber die Requisiten wurden international gehalten (z.B. ein Schild "Elevator out of order" oder die Schrift an der FlipChart des Psychologen). Auch die Schauspieler wurden nicht nur mit Deutschen besetzt. So wird unter anderem die Rolle des Simon vom jungen Christian Traeumer aus Californien verkörpert, der Anwalt wird von Eric Roberts gespielt. Die deutschen Parts sind mit Ben Becker, Dieter Landuris oder Dieter Hallervorden gut besetzt.


SYNCHRONISATION

Dadurch entsteht ein typisch deutsches Filmproblem: Synchronisation. Ich weiß nicht, wie die Deutschen das schaffen, aber die meisten Filme scheitern meiner Ansicht am Ton. Es wird genuschelt, geflüstert, geschrien, aber immer so, dass man kein Wort versteht. Egal, wiesehr ich mich anstrengte, mindestens ein Drittel der Dialoge war kaum zu erfassen. Dazu kommt in diesem Fall, dass der Film auf Englisch gedreht und im Deutschen nachsynchronisiert wurde. Was dazu führt, dass die Lippensynchronität trotz deutscher Schauspieler und deutscher Stimmen etwas seltsam wirkt.


SCHAUSPIELER

Eigentlich wurde der Film mit vielen Größen besetzt. Umso mehr wunderte ich mich, wie hölzern und gestellt viele Szenen wirken. Besonders Eric Roberts als Anwalt wirkte absolut künstlich. Mal schreit er überzogen und unangemessen, ein andermal haut er völlig trocken böse Drohungen raus, und seine Mimik wirkt dabei stets gespielt. Sunny Mabrey als seine Freundin kam scheinbar keinerlei Funktion zu als lediglich die, danebenzustehen, blond und sexy zu sein.

Ben Becker, das mag jeder anders sehen, er hat viele Fans, aber ich gehöre nicht dazu. Was man ihm aber lassen muss: er wirkt absolut authentisch und kommt gut an, er wirkt nicht aufgesetzt sondern direkt aus dem Leben. Landuris hatte nur eine kurze Rolle, konnte diese aber überzeugend darbieten. Und Dieter Hallervorden - viele haben ein Problem damit, dass er einen Bösewicht spielt. Ich fand das allerdings großartig. Er hat seine Rolle sehr überzeugend gespielt (und als einziger konnte er mir wirklich eine Emotion abringen, während ich den Rest des Filmes unbeteiligt danebensaß), er hat so gut gespielt, dass man gar nicht anders konnte als seine Rolle zu hassen. Ich finde es großartig, wenn ein Schauspieler das fertig bringt, und ich ziehe meinen Hut davor, dass Hallervorden den Mut zu dieser undankbaren Rolle bewiesen hat. Doch außer Hallervorden, Landuris und Becker - Leere und Emotionslosigkeit.


VERGLEICH ZUM BUCH

Der Vergleich zum Buch gehört hier nicht her. Das Buch ist äußerst komplex, und Fitzek ist ein großartiger Autor, der viele Zwischentöne in seine Bücher einbaut. All das in einen Film von gerade einmal 102 Minuten zu packen, das ist nicht möglich. logisch gibt es Abstriche. Dass der Film aber so direkt zur Sache kommt und dann alles zackzack durchackert ohne Punkt und Komma, das hat der Stoff nicht verdient. Vor allem am Ende wird alles so schnell abgehandelt, dass man kaum hinterherkommt, und dann plötzlich ist alles wieder Friede Freude Eierkuchen.

Einige Male habe ich lachen müssen. Das lag nicht in der Absicht des Filmes, aber ich fand ihn an vielen Stellen unfreiwillig komisch. Meine "liebste" Stelle:

SPOILER
Exfrau hat ihn belogen. Eigener Sohn wurde an den Pornoring verkauft. Mehrere Leute sind gestorben. Ein Kind wurde zum Mörder. Viele Kinder wurden missbraucht. Jetzt im Augenblick stirbt ein Kind in seinen Armen (zwar in schöner Umgebung aber viel zu dicht an all den anderen Ereignissen). Kind: "Sei nicht traurig". Er: "Es ist der schönste Tag meines Lebens" *muahaha* entschuldigung, aber da fehlt mir jeglicher Sinn für Kitsch, Dramatisch oder Schmonz, aber ich finde das einfach nur unfreiwillig komisch. Der Zuschauer hatte noch nicht einmal eine Minute Zeit, all die Dramen um den Pornoring zu verarbeiten, schon folgt ein solcher Satz.
SPOILER ENDE


FAZIT

Ein großartiges Buch. Ein nicht einmal mittelmäßiger Film. Der Versuch, ihn international zu gestalten, hat viel von der Atmosphäre zerstört, die er hätte haben können. Weniger Geld in ausländische Schauspieler, dafür mehr Geld in Drehbuch, Dialoge und deutsche Schauspieler investiert hätte diesem Titel gut getan. Fitzek ist eben ein Deutscher: Filme drehen kann er nicht. Aber er kann schreiben wie kein anderer.


WERTUNG: mit ganz viel Extrabonus für den Autor und die ursprüngliche Story geraaaade noch 4 von 10 Engel am Strand

SaschaSalamander 18.06.2013, 08.20 | (0/0) Kommentare | PL

Der Mieter

INHALT

Die Vormieterin hatte sich aus dem Fenster gestürzt und liegt im Krankenhaus, es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass sie überlebt. Und so bekommt Trelkovsky die neue Wohnung. Die Nachbarn sind sehr auf Ruhe und Ordnung bedacht, immer mehr muss Trelkovsky sich selbst zurücknehmen, um nicht in der Hausgemeinschaft anzuecken. Was ab hier geschieht, das kann jedoch nur schwer beschrieben werden, ohne etwas vorwegzunehmen ...

Ich habe das Buch begonnen, ohne irgend etwas über die Handlung zu wissen, ich musste mich komplett dem Autor in die Hände legen, und ich habe es nicht bereut, vorab absolut keine Inhaltsangabe dazu gelesen zu haben. Denn ich hatte da eine Ahnung, und die hat sich bestätigt: DER MIETER ist eines der wenigen Bücher, die ihre Wirkung dann am besten entfalten können, wenn man absolut nichts über Genre, Handlung oder Zielsetzung weiß. Wenn man es einfach wirken lässt und abwartet, was geschieht. Wenn man sich seine eigenen Gedanken machen muss und immer tiefer in das Geschehen verstrickt wird ohne zu wissen, was es mit den seltsamen Ereignissen auf sich hat.

Wer aber gerne ein wenig mehr erfahren möchte, kann beruhigt weiterlesen: ich bringe selbstverständlich keine fiesen Spoiler, aber ein klein wenig über die Richtung des weiteren Handlungsverlaufes muss ich schreiben, sonst wäre die Rezension nicht möglich ;-)



CHARAKTERE

Trelkovsky ist absolut durchschnittlich, er steht für jeden von uns, und jeder wird sich zu einem gewissen Grad mit ihm identifizieren können. Das macht einen Teil des Schreckens dieses Buches aus, denn was ihm geschieht, könnte vielleicht auch uns geschehen.

Doch unabhängig von seiner Durchschnittlichkeit ist er natürlich dennoch eine eigene Persönlichkeit. Trelkovsky etwa ist geprägt von Scham, er ist weich und formbar, er versucht es allen recht zu machen, er scheut Konflikte und leidet sehr unter Dingen, die manch anderer einfach mit einem ärgerlichen "Ihr könnt mich mal" beiseite wischen würde.

Dadurch, dass das Buch nicht nur aber zu einem sehr großen Teil vor allem aus seiner Innensicht heraus geschrieben ist, fällt es dem Leser jedoch sehr leicht, sich in ihn hineinzuversetzen. Auch, wenn man selbst anders reagieren würde, sind seine Handlungsweise absolut nachvollziehbar. Der Leser erkennt, dass Trelkovsky selbst gar nicht anders handeln kann, dass er in sich selbst und seiner Umgebung gefangen ist, zielstrebig dem Untergang entgegengeht ohne es verhindern zu können. Diese Unabdingbarkeit war für mich eine große Zerreißprobe, am liebsten hätte ich ihm zugerufen "mensch, dann zieh doch aus" oder "das ist doch völlig egal, vergiss das einfach", und zugleich wusste ich, dass egal was man ihm geraten hätte, er niemals anders handeln konnte. Roland Topor hat eine Figur geschaffen, die in sich selbst so stimmig ist, dass es regelrecht erschreckend ist. Selten habe ich so intensiv mitgefiebert wie in diesem Roman, ich habe Trelkovskys Scham, seine Angst, seinen Wahnsinn und seine Hilflosigkeit regelrecht körperlich gespürt, habe gezittert und war dankbar für jede Pause, die mir zwangsweise auferlegt wurde beim Hören der CDs.

Die anderen Figuren werden aus der Sichtweise des Protagonisten beschrieben. Doch auch sie werden sehr deutlich wahrgenommen und detailreich geschildert, man beginnt sie regelrecht zu hassen.


AUFBAU

Im Grunde beginnt DER MIETER absolut alltäglich. So durchschnittlich Trelkovsky ist, so normal ist auch die Handlung: ein Mann zieht in eine neue Wohnung und muss lernen, sich mit den Mietern, die sich durch Geräusche gestört fühlen, zu arrangieren. Wer hat das noch nicht erlebt? Wie reagiert man, wenn die Nachbarn laut sind? Was sollte man tun, wenn die Nachbarn sich gestört fühlen, man sich selbst jedoch im Recht sieht?

Aus dieser durch und durch banalen Situation gelingt es Topor ein Meisterwerk zu erschaffen. Er steigert die Situationen, bis man sich als Leser fragt, ob das jetzt noch normal ist oder ob es nicht langsam absurde Züge annimmt. Sehr lange bewegt man sich auf einem schmalen Grat zwischen "normale Nachbarschaftsprobleme" und "das geht nun wirklich zu weit". Gerade das ist das Erschreckende daran: wie würde man selbst reagieren? Die meisten wären wohl kulant, würden solche Kleinigkeiten auf sich beruhen lassen, würden freundlich lächeln. Wozu einen Streit vom Zaun brechen. Doch wenn man dies zulässt, warum sollte man sich dann über die nächste kleine Steigerung beschweren? Und irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man spürt, dass die anderen zu weit gegangen sind. Aber ist man nicht selbst schuld, wenn man es bisher zugelassen hat? Wann hätte man einschreiten müssen?

Und als man dann endlich erkannt hat, dass die Dinge aus dem Ruder gelaufen sind, ist es zu spät, darauf zu reagieren. Die Situationen werden immer bizarrer, immer absurder. Doch dabei belässt der Autor es nicht, sondern er überschreitet die nächste Grenze: ist das, was geschieht, überhaupt noch real? Ist das Paranoia? Ist das Mobbing? Sind übernatürliche Kräfte am Werk? Was geschieht hier eigentlich? Und dann, als der Leser endlich begreift, was vor sich geht, ist es zu spät: Trelkovsky steuert auf den Abgrund zu, und jedem von uns wäre genau das gleiche geschehen. Der Leser wird sich seiner eigenen Verwundbarkeit schmerzlich bewusst. Die Frage nach der eigenen Identität schwebt verhängnisvoll im Raum ...

Der Autor lässt uns mit unseren Fragen hilflos zurück. Viele Ereignisse bleiben ungeklärt, lassen mehrfache Interpretationen zu. Ist es symbolisch zu deuten? Ist es tatsächlich geschehen? Was steckt hinter den Ereignissen? An welchem Punkt endete die Realität und begann - ja, was war es eigentlich, was dann begann? Und dann endet alles wieder dort, wo es begann, rückt alles in ein völlig neues Licht. Mindfuck vom Allerfeinsten.


SPRACHE, STIL

Topor schreibt sehr eindringlich und bildgewaltig. Ich fühlte mich teilweise regelrecht erdrückt von dem Gebäude, dem Treppenhaus, der Wohnung. Die Sprache dazu ist einfach und flüssig zu hören / lesen. Die Ereignisse selbst sind größtenteils metaphorisch zu verstehen, die Worte dagegen sind klar und direkt. Der Autor schreibt nicht um den heißen Brei, er nennt die Dinge beim Namen. Der Leser sollte also kein Problem haben, sich auch mit sexuellen, fäkalen und anderen körperlichen Themen auseinanderzusetzen. Was mir daran jedoch gefällt: Schock und Ekel, Topor genießt es regelrecht, immer mehr Dreck aufzuwühlen. Und doch dient es nicht der billigen Schaulust sondern vor allem der der Verdeutlichung der Dramatik der Ereignisse, es ist ein Stilmittel und wurde gekonnt eingesetzt.

Dazu kommt die im Laufe des Buches immer intensiver werdende Innensicht Trelkovskys: Wer ist Freund, wer ist Feind? Wer will ihn manipulieren, wer will ihm helfen? Ist sein Freund ignorant, oder ist er durchsetzungsfähig, wenn er dem Nachbarn die Stirn bietet? Hegen die Nachbarn bösartige Pläne, oder fühlt sich Trelkovsky aufgrund seines geringen Selbstwertes einfach nur beobachtet und verfolgt? Der Leser kann nicht beurteilen, ob die Schilderung der Situation einer verzerrten Wahrnehmung entspringt oder objektiv betrachtet tatsächlich so drastisch zu deuten ist. Hier wurden Sprache und Stilmittel perfekt genutzt.


HÖRBUCH

Edition Eudoba wurde von Jens Wawrczeck ins Leben gerufen. Mit der Umsetzung des Romanes DER MIETER hat er sich nun einen langjährigen Traum erfüllt. Und ich finde, Wawrczeck ist perfekt geeignet als Sprecher für dieses Werk. Virtuos spielt er auf der Klaviatur menschlicher Emotionen, vermittelt Unsicherheit, Sanftheit, Weiblichkeit ebenso wie Stärke, Härte, Männlichkeit hin zu Panik und absolutem Wahnsinn. Vermag die Handlung bereits den Leser zu fesseln, so setzt er noch eines obenauf, macht es noch intensiver, noch eindringlicher. Auch, wenn ich ihn schon oft in Hörbüchern, Hörspielen etc gehört habe, verband ich bisher mit ihm immer Peter Shaw von den Drei ??? (wer nicht?). Seit diesem Hörbuch allerdings werde ich nun auch immer Trelkovsky im Ohr haben und eine Gänsehaut verspüren ...

Die musikalische Untermalung von Henrik Albrecht unterstreicht die geheimnisvolle Atmosphäre und schafft sehr gute Übergänge zwischen den einzelnen Passagen. Das Schlusslied ist französisch und wird gesungen von Wawrczeck selbst. Gehalten im Stil der alten Chansonetten passt es perfekt zur Handlung und rundet die Geschichte sehr schön ab. Ich mag Wawrczeck als Sänger ja sowieso sehr gerne und hoffe, dass es nun endlich einmal eine CD von ihm gibt statt der bisher nur einzelnen Titel.


FAZIT

DER MIETER zeichnet ein anfangs völlig alltägliches Bild, das sich in einer Abwärtsspirale immer schneller dreht. Es lässt den Hörer verstört zurück und gräbt sich tief in das Bewusstsein. Zusehr wird man selbst Teil des Geschehens, als dass man es einfach vergessen könnte. Ein nicht zu beschreibendes Meisterwerk, das man selbst erleben muss ...


SaschaSalamander 17.06.2013, 08.37 | (0/0) Kommentare | PL

Gefangen im Sexverlies

AUTOR

Von Tomàs de Torres habe ich bereits >SKLAVENJAGD< und >DAS GEHEIMNIS DER SKLAVIN< gelesen. Ich mag es, dass seine Titel zwar hart zur Sache kommen, es aber dennoch eine spannende Handlung gibt und man eher von einem Thriller denn einem reinen Erotiktitel reden kann. Besonders gespannt war ich, da der neueste Titel nicht wie die anderen im Marterpfahlverlag erschienen ist, sondern diesmal bei UBooks.


COVER UND TITEL


Schade an der Veröffentlichung finde ich, dass der Titel so reißerisch daherkommt. Gerade von einem Publikumsverlag (CHECK BEGRIFF) hätte ich doch etwas mehr Feingefühl gegenüber der weiblichen Leserschaft erwartet - gerade diese wäre (nicht nur, aber besonders) eigentlich Zielgruppe des Buches, wird sicher aber von Titel und Cover abgeschreckt. Wäre mir der Autor nicht bekannt, ich hätte das Buch mit spitzen Fingern beiseitegelegt, ohne es auch nur eines Blickes zu würdigen. Aber da Ihr jetzt meine Rezension lest, hoffe ich Euch davon zu überzeugen, dass es nicht nur einen abschätzigen Blick wert ist sondern sogar die komplette Lektüre.

Mehr dazu hatte ich vor einiger Zeit ja bereits >hier< geschrieben.


INHALT

Der Klappentext gibt sehr viel vom Inhalt wider. Gerne würde ich es anders versuchen, doch es ist nicht möglich, sonst klänge der Roman zusehr nach "sie trifft ihn, er ist dominant, und sie verfällt ihm mit Haut und Haar. Doch er hat auch eine dunkle Seite". Das wäre das Klassische, aber so einfach ist es eben nicht.

Paloma beginnt ihren neuen Job in einem kleinen Verlag. Ihr vorgesetzt ist der attraktive Lorenza Aquila. Anfangs ablehnend, zeigt er sich ihr gegenüber bald zugänglich, und sie verbringen eine gemeinsame Nacht. Paloma träumt im Anschluss einen düsteren Traum von Kerker und Folter. Wannimmer sie mit Lorenzo schläft, werden diese Träume von Mal zu Mal eindringlicher. Als sie ihm davon erzählt, reagiert er sehr unerwartet und versucht die Beziehung zu beenden. Paloma spürt, dass es mehr damit auf sich hat und versucht, ihn mit ihrer Liebe an sich zu binden und ihn und sich von den Träumen zu lösen ...


GENRE

Eigentlich ein normaler SM-Roman. Allerdings wage ich es, diesen Titel auch in die Reihe der Romane einzureihen, die bevorzugt von experimentierfreudigen Frauen gelesen werden, für die Shades of Grey nur ein Kinderspiel war, die aber dennoch nicht sofort zu den Hardcoretiteln mit grenzwertigen NonCon-Praktiken greifen wollen. Es werden eben beide Seiten bedient:

Zwischen Paloma und Lorenzo besteht eine innige Liebe voller Romantik, Zärtlichkeit und Leidenschaft. Man spürt das Knistern zwischen den beiden, die Liebesszenen sind anregend beschrieben und wissen zu gefallen. Streicheln, Küssen, Kerzenlicht, edles Essen, Ausgehen im Restaurant, Liebesschwüre und die Gewissheit "ich würde alles für meine Liebe tun".

Auf der anderen Seite gibt es hier recht ordentlichen SM. Dabei wird der Autor jedoch nicht vulgär und eklig, sondern er hört immer genau da auf, wo das Kopfkino anfängt und es unnötig ist, weitere Worte zu verlieren. Ein Folterkeller, das bietet deutlich mehr als das Zimmerchen des Christan Grey, oh ja. Ein glühendes Kohlebecken, eine Streckbank, eine Leiter, ein Pranger, ein Tauchbecken, jede Menge schmiedeeiserne Ketten und Fesseln. Doch, wie gesagt, es wird weder blutig noch brutal, hier ist es vor allem das Kopfkino, das angeregt wird und sehr viel Freiraum für anregende Phantasien lässt, teils auch recht heftig aber niemals zuviel. Dadurch, dass es vor allem auch Traumsequenzen sind, in denen diese Dinge geschehen, wird die Situation zusätzlich etwas entschärft. Und dann ist da noch der geheimnisvolle Retter, der Paloma im Traum zur Seite steht.


AUFBAU

Wie auch in seinen anderen Romanen beginnt Tomàs de Torres seine Geschichte sehr langsam, es dauert viele Seiten, bevor der erste Hinweis auf SM kommt. Und selbst da geht es noch lange nicht zur Sache, sondern wird nur einmal erwähnt. Paloma ist unerfahren, und erst nach und nach wird sie durch ihre Kollegin an die Thematik herangeführt. Viele Leser werden sich wohl mit der Protagonistin identifzieren können, das wachsende Verlangen und die Faszination ebenso verstehen können wie auch die anfängliche Angst und Vorsicht. Das Buch ist aufgebaut wie eine schöne Session: gemütlich, ruhig, mit viel Körperkontakt, Kennenlernen, sehr viel Vorspiel, jede Menge Reizen und Anheizen. Dann wird es direkter, fordernder, schneller, das Tempo des Buches zieht an, die Worte werden klarer und der Inhalt intimer. Das Verlangen wird heftiger, die Erotik im Buch wird sehr direkt und heftig, immer schneller, die Handlung rast voran, bis es sich in einem Showdown entlädt ... nur, einschlafen sollte Paloma danach nicht mehr, ...


STIL

Der Stil des Autors hat mich in diesem Buch überrascht. Zwar waren in den beiden anderen Büchern die Protagonisten auch weiblich, dennoch erkannte man klar den männlichen Autor, einfach aufgrund der teils auch sehr männlichen erotischen Phantasien dahinter, und als Leser hätte ich eher Männern dazu geraten oder in diesem Genre bewanderten Frauen. Dieses Buch hier ist wesentlich weiblicher, ohne deswegen an Intensität zu verlieren. In DAS GEHEIMNIS DER SKLAVIN ist alles sehr nüchtern und sachlich, in SKLAVENJAGD wird der vermeintliche Held sehr schnell zum Feind. Hier dagegen besteht von Beginn an eine Zuneigung, wie sie eher für Romance typisch ist. Umso mehr verstehe ich nicht, warum man das Buch nicht für diese weibliche Zielgruppe vermarktete sondern so gestaltete, dass es nur in der Perversenecke am Bahnhof Leser findet, nicht jedoch auf dem Präsentierstapel in großen Buchhandlungen? Verdient hätte der Titel es durchweg!

Wortwahl, Darstellung der erotischen Szenen, Inhalt, Aufbau - zugegeben, würde ich den Autor nicht kennen, ich hätte auf das Pseudonym einer Frau getippt. Und das meine ich als großes Kompliment, denn gerade in diesem Genre sind es vor allem Frauen, die in letzter Zeit immer erfolgreicher werden und die Leser an sich binden.


SONSTIGES

Interessant finde ich, wie Torres hier auch die psychologische Seite des SM einbindet. Die Deutung der Traumsequenzen mag jeder Leser für sich entscheiden, man kann das Buch als reines Fantasy lesen, man kann darin aber auch eine metaphorische Darstellung des Unterbewusstseins und mehr darin sehen. Die Beziehung zwischen Paloma und Lorenzo bekommt dadurch eine neue Bedeutung, und Palmonas Versuch, ihn für sich zu gewinnen, kann gesehen werden als ... nein, das verrate ich nicht, macht Euch Eure eigenen Gedanken ;-)

Da das Buch in einem Verlag spielt, plaudert der Autor auch ein wenig aus dem Nähkästchen. Wieviel eine seiner Figuren von ihm selbst beinhaltet, weiß nur er allein und können wir nur mutmaßen. Interessant finde ich jedenfalls, was Torres über sich bzw seine Kollegen und das typische Verhalten gegenüber Verlagen und Lektoren schreibt. Aber lest selbst ...


FAZIT

Ein spannender Roman, der schnell und flüssig gelesen werden kann. Dennoch von einer inhaltlichen Tiefe, die zum Nachdenken anregt und das Buch zu mehr macht als nur einer kurzweiligen Lektüre. Top Empfehlung für alle, die zusätzlich zu den romantischen Worten gerne noch ein paar handfeste Taten haben wollen ;-)

SaschaSalamander 03.06.2013, 08.15 | (0/0) Kommentare | PL

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