SaschaSalamander

Blogeinträge (Tag-sortiert)

Tag: Deutsch

Heinz Erhardt für Kinder

"Hinter eines Baumes Rinde lebt die Made mit dem Kinde" ... wer kennt diese Zeilen nicht? Nur zu Recht ist das Cover dieser CD geschmückt mit einem Bild zu diesem traurigen und doch witzigen Gedicht. 

HEINZ ERHARDT FÜR KINDER - 31 GEDICHTE UND NOCH´N GEDICHT lautet der Titel der Veröffentlichung mit 32 Gedichten des inzwischen leider verstorbenen Schauspielers, Dichters, Komikers. Ob die junge Generation sich an ihn erinnert, weiß ich nicht, aber ich bin mit seinen Filmen und Gedichten groß geworden, und ich habe seinen Humor geliebt. Manchmal Nonsens, manchmal mit einem gewissen Tiefgang, ein schräger Wortwitz, und immer sympathisch, niemals bösartig, vielleicht ein wenig schadenfroh, stets den Schalk im Nacken. 

Auf dieser CD finden sich Gedichte rund um Tiere (bis auf ein paar wenige Ausnahmen wie etwa die Turmuhr oder der Pflasterstein). Märchenhaft, lustig, traurig, fröhlich, scherzend, hintersinnig, so kennt man Heinz Ehrhardt, und sein Ton wird hier sehr schön getroffen und eingefangen. 

Als ich die CD hörte, konnte ich gar nicht anders, als lachend einige der Titel mitzusprechen, die ich wiedererkannte. Es waren viele Aha-Erlebnisse, in denen ich mich erinnerte, und es war wie eine kleine Reise in meine Kindheit, als ich mit Klassenkameraden auf dem Pausenhof seine Verse zitierte und mit meiner Familie die Filme ansah. Ich lauschte den Gedichten während der Arbeit in der Küche, und viel zu schnell war sie schon zu Ende. Was tun? Ganz einfach: Play drücken und wieder von vorne anfangen und diesmal noch mehr Texte mitsprechen als beim ersten Mal ;-)

Gesprochen werden die Gedichte von Katja Danowski, Stefan Kaminski, Katinka Kultscher, Regina Lemnitz, Julia Nachtmann, Hans Löw, Jürgen Uter, Jacob Weigert und Samuel Weiss. Außer Katinka und Jürgen sind mir alle bekannt, teils von anderen Produktionen des Verlags, teils als Schauspieler oder grandiose Hörbuchsprecher. Die anderen beiden sind mir sehr positiv aufgefallen, vor allem die junge Katinka Kultscher macht ihre Sache hervorragend. 

Heinz Erhardt widerzugeben ist nicht leicht, sind seine Reime und Verse oft nicht rhythmisch in den Text gebunden, sodass sich alles flüssig vortragen ließe. Es gilt einerseits den Inhalt zu wahren und die Sätze klar zu lesen, andererseits auch die Wortspiele und Reime dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Eine Herausforderung, die für die geübten Sprecher ein Leichtes schien und die auch von Katinka sehr gut gemeistert wurde. Wie nebenbei gehen ihnen die Worte von den Lippen.

Die eingespielte Musik von Steve Baker passt wunderbar zu den Texten. Ich finde es immer wieder klasse, wie es im Jumbo Verlag gelingt, die Balance zu halten, nicht zuviel Musik zu bringen, nicht zu wenig. Auch die Stimmung der Musik passt sehr gut dazu, heiter und leichtfüßig, doch nicht zu albern. 

Nach 31 Gedichten folgt "noch´n Gedicht", eine alte Aufnahme vom Autor persönlich. Das Sahnehäubchen zum Abschluss.

Die Musik, die Wahl der Sprecher, der gesamte Vortrag, Heinz Erhardt hätte sicher seine Freude an dieser CD gehabt. Und nachdem ich sie nun schon zweimal gehört habe, werde ich sie in ein paar Tagen ein drittes Mal aufleben. Irgendwann kann ich alle Texte auswendig, und dann höre ich einfach weiter ;-)



SaschaSalamander 07.05.2014, 08.48 | (0/0) Kommentare | PL

Todesengel

Schon einige Wochen ist es her, dass ich TODESENGEL von Andreas Eschbach gelesen habe. Eigentlich wollte ich gar keine Rezension dazu schreiben. Aber ich merke, dass ich mich besser fühle, wenn ich wenigstens abschließend ein paar Worte dazu tippe, meinen Eindruck teile. Ist schließlich ein Eschbach, und das lese ich nicht einfach nur so, sondern da stecken immer große Erwartungen drin. Ich möchte das Buch jetzt nicht analysieren, lediglich meine Probleme mit dem Werk aufzeigen :-)

Ich kann gar nicht benennen, was ich von Eschbach schon alles gelesen habe, stürze ich mich doch auf jeden neuen Titel und habe bei den alten Sachen bis auf ein paar Sci-Fi Titel fast alles durch. Mir gefällt vor allem, dass er sich nicht in gängige Schubladen stecken lässt, die Genres oft neu definiert und in jedem seiner Bücher neue Wege beschreitet. Experimente, neue Settings, ungewöhnliche Ideen, er ist immer für eine Überraschung gut. 

In Todesengel treibt ein Superheld Selbstjustiz: ein strahlender Engel beschützt Opfer vor ihren Peinigern und erschießt die Täter. Niemand glaubt dem überfallenen alten Mann seine Geschichte, er wird als Verdächtiger gesehen. Doch bald häufen sich die Vorfälle, in denen andere Opfer von ihren Erlebnissen erzählen. Ein Reporter verfolgt die Spur und findet mehr über den Helden, den Engel, den Rächer heraus. Wer steckt dahinter?

Wie gesagt, ausführliche Rezension hab ich jetzt gar nicht vor, dazu hat mich das Buch langfristig gesehen doch zu wenig verfolgt im Nachhinein. Aber während des Lesens hat es mich recht beschäftigt. Es gelingt Eschbach, ein aktuelles (langfristig in der Gesellschaft gärendes) Thema aufzugreifen, die Zivilcourage. Die Probleme, die es mit sich bringt selbst gewalttätig zu werden um sich oder andere zu retten. Ich war recht zerrissen, denn er schafft es wie üblich grandios, Emotionen beim Leser zu erzeugen. Ich war wütend, ärgerte mich, habe mit den Protagonisten mitgelitten und war mit ihnen entrüstet.

Trotzdem fühlte ich mich nicht dabei wohl, denn Eschbach polarisiert in diesem Buch doch recht stark. Er gibt zwar zwischendurch immer wieder zu verstehen, dass Selbstjustiz nicht in Ordnung ist, jedoch lässt er widersprüchliche Stimmen ziemlich untergehen, werden Talkgäste niedergeredet und kritische Ansätze werden zum Schweigen gebracht. Ja, es gibt Gegenstimmen, ja es gibt auch Konsequenzen und die obligatorische Moral am Ende (Verbrechen lohnt sich nicht, aber Meinungsmache und Selbstjustiz ebensowenig). Trotzdem hatte ich diesmal ein wenig mit dem Tenor zu kämpfen. 

Ab der Mitte etwa hatte ich damit gerechnet, dass einiges mehr passieren würde, es hätte eigentlich sehr gut um mindestens ein Drittel, vielleicht sogar die Hälfte gekürzt werden können, und ich fragte mich zwischendurch, wann denn nun eigentlich das kommt, was der Autor mir eigentlich sagen möchte, aber es kam nur oberflächlich, nicht eines Eschbach würdig, ich bin mehr Tiefe von ihm gewohnt. Es gibt - bedingt durch die Talkshow, deren tägliche Ausstrahlung sehr genau verfolgt wird im Roman - sehr viele Gespräche, Diskussionspunkte, aber diese polarisieren und lassen teilweise gar keine Chance auf eine Auseinandersetzung mit dem Thema. Billige Meinungsmache soll die Show sein, aber das Buch schafft es leider nicht, selbst über diesen Punkt hinauszukommen. Statt Spannung zu erzeugen dümpelt die Handlung auf Talkshowniveau vor sich hin. 

Natürlich soll es auch darum gehen, dem Leser die eigene "dunkle" Seite aufzuzeigen, will er im Leser Gedanken wachrütteln, die dieser ungern zugeben mag. Aber wie dies geschieht und wie damit umgegangen wird, das ist einfach nicht mein Stil, ich konnte dem Autor nur bedingt folgen.

Naja, macht nichts. Wie gesagt: er ist ein grandioser Schreiberling. Und wenn man in so vielen Genres tanzt, so viele Ideen zu Papier bringt und immer wieder neue Gedanken umsetzt, dann kann es auch mal passieren, dass ein paar weniger geniale Ergüsse dabei sind. Ich habe mich unterhalten, Zeitverschwendung war das Buch sogesehen nicht. Ein Mann kann nicht nur Bestseller wie auf mich zugeschnitten schreiben ;-)

SaschaSalamander 05.05.2014, 08.48 | (0/0) Kommentare | PL

Anständig essen

Karen Duve hat vor einiger Zeit einen Selbstversuch gestartet. Angeregt durch eine Freundin begann sie sich damit zu befassen, wie man sich im ethischen Sinne "anständig" ernähren kann. Dafür hat sie angefangen mit Bio, ist über das Vegetarische zum Veganen, und am Ende testet sie die frugane Ernährung. Welche Erfahrungen sie dabei gemacht hat, wie es ihr ging, was sie dabei herausfand, das teilt sie in ihrem Buch. 

Während viele Sachbücher mit trockenen Fakten daherkommen und die Gewalt an Tieren möglichst blutig und brutal darstellen um zu schockieren, geht Duve das Thema erfrischend menschlich an. Sie liebt ihre Hähnchenpfanne, möchte ungern verzichten, und ohne Cola geht erstmal gar nichts. Als sie allerdings immer mehr "hinter die Kulissen" blickt und sich mit dem Thema der Fleischproduktion und Tierhaltung befasst, wird ihr so einiges klar. Und auch die geliebte Cola schmeckt plötzlich nicht mehr ... 

Während sie immer mehr erfährt, geht viel in ihr vor, es macht sie wütend, sie tritt vor Frust auch mal gegen den Kühlschrank oder redet ihrer vegetarischen Freundin ein schlechtes Gewissen ein, einfach um sich selbst besser zu fühlen. Sie verhält sich nicht immer fair und korrekt. Auch ihre Art der Umstellung und die Wegwerfmentalität stoßen mir gelegentlich auf. Das ist nicht okay, aber wie gesagt absolut menschlich, und gerade das macht das Buch sympathisch. Es zeigt, dass Biokäufer, Vegetarier, Veganer oder Fruganer keine "besseren Menschen" sind und mit ihren eigenen Schwächen ebenso zu kämpfen haben wie Fleischesser. 

Sie geht auch auf ihren Alltag ein. Auf den kranken Hund, auf ihr Maultier, die Hühner, die Katzen, auf ihre Tätigkeit als Autorin. Durch den Vergleich der Käfighühner zu ihrem Haustier-Huhn wird manches wesentlich drastischer, als Zahlen oder Fakten es darstellen könnten. Auch die Gegenüberstellung von Nutztier und Haustier wird sehr deutlich gezeichnet, ohne dass die Autorin es wörtlich ansprechen muss. 

Auf viele Aspekte geht sie nicht ein, zum Beispiel wie ihr Ernährungsplan konkret aussieht oder gar einzelne Rezepte. Auch Dinge wie Klima, Plastik, Regionalität, Nahrungsergänzung und Nährstoffe werden nicht näher behandelt. Das ist okay, denn es ist wie gesagt ein Buch über ihre persönlichen Erfahrungen. Jeder macht seine eigenen Erfahrungen und legt Wert auf andere Aspekte, daher finde ich das absolut okay, mir haben diese Punkte im Buch nicht gefehlt. Wer konkrete Informationen will, sollte besser zu einem Sachbuch greifen.

Sehr schön finde ich im Gegenzug, was hier beschrieben wird und andere Bücher nie beschreiben: den Prozess des inneren Wandels. Fleischesser werden nachvollziehen können, was in ihr vorging und vielleicht sogar angeregt, selbst etwas zu ändern. Pflanzenköstler gleichwelcher Coleur werden sich in diesem Prozess wiederfinden: Die Wut darüber, dass solche Methoden erlaubt und zulässig sind. Das plötzlich Sich-Selbst-Infrage-Stellen, die Mischung aus Scham, Wut, Hilflosigkeit, teilweise auch Verleugnung und Nicht-Wahrhaben-Wollen. 

Wie kann etwas, das so lecker schmeckt, so falsch sein? Warum erzählt man überall, wie notwendig Milch ist, wenn doch Länder ohne Milchkonsum weniger Osteoporose haben und trotzdem nicht an Calciummangel leiden? Warum ist es zulässig, dass selbst bei Bioproduktion noch immer an die fünf Hühner auf einer hasenstallgroßen Fläche sich gegenseitig qualvoll mit ihren gekürzten Schnäbel blutig hacken und kein Gefieder mehr tragen? Kann all das, was man jahrzehntelang verinnerlicht hat, wirklich so falsch sein? Oder biegen Veganer sich ihre Argumente nur zurecht?

In ihrem Stil ist die Autorin sehr direkt, schreibt was Ihr durch den Kopf geht, der ihr eigene Humor über die Tücken des Alltags kommt auch in diesem Buch zur Geltung, macht das an sich ernste Thema etwas erträglicher, ohne es dabei abzuschwächen. 

Es ist eines der Bücher, die man sehr gut empfehlen kann. Ein zweites Mal lesen werde ich es nicht, es war unterhaltsam, auch weil es mal die emotionale Seite der Umstellung zeigt statt nur die Fakten. Trotzdem werde ich das Buch behalten, auch um es an Freunde zu leihen. Denn was die Autorin schreibt, ist wichtig. ANSTÄNDIG ESSEN ist ein Titel, der den Leser wirklich "dort abholt, wo er steht", und das halte ich bei diesem Thema sehr wichtig. Jeder kann sich darin wiederfinden, ob Fleischesser oder Pflanzenköstler, und die Identifikation mit der Autorin ist hoch, sodass beim Lesen zwangsläufig das eigene Hinterfragen beginnt. 

Absoluter Tip für alle, die zwar wissen, dass Strom nicht aus der Steckdose kommt, aber immer noch glauben, dass Kühe vom Biohof glücklich auf der Weide grasen ... 


SaschaSalamander 08.04.2014, 08.44 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Alpha2

Klappentext: Das Leben eines Werwolfes ist nicht einfach - vor allem dann nicht, wenn man seinen eigenen Artgenossen lieber aus dem Weg geht. Clive muss sich nach seinem Umzug in die neue Stadt nicht nur mit dem ortsansässigen Rudel herumschlagen, sondern auch mit einer Begegnung, die sein Leben auf den Kopf stellen wird: Er trifft Werwolf Quinn im Wald. Und Quinn besitzt zwei Merkmale, auf die Clive besonders extrem reagiert, er ist männlich und ein ausgeprägtes Alphatier - was den Wolf in Clive in furiose Aufgeregtheit versetzt. 

Die Zeichnungen stammen von >Kamineo<, die Story aus der Feder von Kamoi. Über die Autorin kann ich nicht viel erzählen, sie ist mir völlig neu. Was ich jedoch herausgefunden habe: der Manga erschien ursprünglich im Verlag Schwarzer Turm und bestand aus drei Teilen. Carlsen hat die drei recht dünnen Heftchen nun zu einem gesammelten Band von 196 Seiten zusammengefasst. 

Ich habe im Laden lange überlegt, ob ich den Mange kaufen soll. Werwölfe sind kein neues Thema, und die Zeichnungen wirkten nicht unbedingt ansprechend auf mich. Beim Blättern allerdings habe ich sehr viele Momente gefunden, in denen ich herzlich lachen musste, und die Bilder strahlen eine Herzlichkeit aus, die mich sofort berührte. Ich musste Alpha2 unbedingt lesen! Und ich habe es nicht bereut. 

Der Zeichenstil ist sehr schlicht, Kamineo hält sich nicht lange mit unnötigen Hintergründen auf. Die Panels sind sehr übersichtlich, sowohl in der Anordnung als auch in ihrer Füllung. Dadurch reduziert sich der Mang auf das Wesentliche: die beiden Protagonisten, sei es in ihrer menschlichen oder tierischen Gestalt. 

Ich gebe zu, dass die Darstellung der Menschen mir wenig zusagt, allein der Zeichnungen wegen hätte ich den Manga nicht gekauft. Trotzdem dauerte es nur wenige Seiten, bis die Zeichnerin mich in ihren Bann gezogen hatte. Die Figuren strahlen sehr viel Emotion aus, die Körpersprache ist sehr dynamisch und aussagekräftig. Mir gefällt auch, dass die Männer einmal nach echten Männern aussehen, mit Brusthaar und gepflegtem Intimbereich. Dicker Pluspunkt :-)

Wenn es mit der Darstellung realistischer Menschen gelegentlich in Proportion und Optik ein wenig hapert, sind die Chibis dafür umso witziger. Ich habe sehr oft gelacht, und allein durch die süßen Momente zwischen den Minicharakteren hat der Manga sich einen Platz in meinem Regal gesichert. 

Das Storytelling bedarf noch ein wenig der Übung. Einzelne Momente werden sehr lange ausgedehnt, wohingegen wichtige Aspekte nicht im Manga dargestellt sondern in ein, zwei Sätzen kurz erklärt werden. Wichtige Punkte der Begegnung zwischen Clive und Quinn werden gar nicht erst beschrieben sondern muss der Leser sich selbst zusammenreimen. Kamineo legt den Schwerpunkt eindeutig nicht auf die Entwicklung der Handlung sondern die Darstellung der Dynamik zwischen den einzelnen Figuren.

Alles in allem ein Manga, bei dem ich sehr, sehr gerne über einige Schwächen hinwegsehe und den ich auch sofort anderen in die Hand gedrückt habe mit der Aussage "hier, das MUSST Du lesen!". Und das möchte ich auch hier im Blog weitergeben: "Los, lesen! Absolut süß!" :-)

SaschaSalamander 26.03.2014, 08.51 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Todestrieb

Zu Nora Schwarz aka Britta Hasler gibt es sehr viel zu erzählen. Aber bevor ich mich ständig im Blog wiederhole, verweise ich einfach auf meinen >Beitrag<, den ich Anfang des Jahres zu ihr verfasst habe.

Mit TODESTRIEB schreibt sie nun ihren ersten düsteren Thriller unter dem Pseudonym Nora Schwarz. Ein berühmter Skandal-Fotograf wird unter brutalen Umständen ermordet aufgefunden. Hanna Mantolf und ihr Kollege Tom Krohne ermitteln. Es gibt ebensoviele Motive wie mögliche Täter, der Mann hatte sich viele Feinde gemacht in seinem Leben. Doch je tiefer die beiden in die Welt des Künstlers abtauchen, desto mehr werden auch Hannas Verwicklungen in diesen Fall offenbar. 

Eine der Stärken der Autorin ist die greifbare und überaus menschliche Darstellung ihrer Protagonisten, aber auch aller auftretenden Nebencharaktere. Mit Fingerspitzengefühl beschreibt sie ihre Figuren, lässt sie zerbrechlich wirken, verletzbar. Die Art und Weise, wie die Menschen in ihren Büchern miteinander umgehen, wie sie sich verhalten, was sie tun und denken, das geht über eine reine Charakterisierung hinaus, vermittelt einen Inhalt zusätzlich zur Handlung des Buches. Es schwebt viel Ungesagtes zwischen den Figuren, das den Fortgang der Geschichte maßgeblich beeinflusst, und der Leser kann viele Ereignisse eher erspüren als tatsächlich begreifen, das Lesen erfordert sehr viel Initution, wodurch der Leser sich der Geschichte weit mehr verbunden fühlt als würde der Plot auf klassische Weise erzählt werden. 

Auch das Spiel der Charaktere untereinander ist sehr gut abgestimmt. Die beiden Dominas, die aufeinandertreffen, sich umkreisen, belauern. Der "unschuldige kleine Junge" Tom Krohne vs die pralle erotische Welt der Latexdomina im Studio. Die enttäuschte Ehefrau trifft auf die Geliebte ihres Mannes. Der Alltag ihrer Figuren strotzt nur so von Begegnungen, dynamischen Interaktionen, Entscheidungen.

Besonderes Augenmerk legt die Autorin auf ihre Protagonistin Hanna Mantolf, deren Rollenkonflikte sehr lebendig beschrieben werden. Energische Ermittlerin, unnahbare Kollegin, enttäuschte Tochter, alleinerziehende Mutter. Dazu eine Vergangenheit, an der sie schwer trägt und die sie im Laufe ihres Buches zu verarbeiten beginnt. Aber keine Sorge, den Leser erwartet keine depressive Persönlichkeit a la skandinavischer Krimi, auch keine billige Möchtegern-Powerfrau, sondern eine selbständige, realistische und in allen Punkten menschliche, durch und durch normale Frau. 

Wie schon in ihrem Roman >DAS STERBEN DER BILDER< zeigt Nora Schwarz auch ein Gespür für geschicktes Storytelling. Die Handlung ist perfekt getimed, kein Wort zieht das Buch in die Länge, niemals wird es hektisch oder rasant. Der Leser ist anfangs im Unklaren, erst nach und nach entrollt sich das Geschehen. Oft glaubt man etwas zu wissen, nur um kurz darauf eines Besseren belehrt zu werden. Wie mit der Karotte am Bindfaden lockt sie den Leser, immer ein Stück voraus, man muss nur danach schnappen, es ist greifbar, sichtbar, und doch unerreichbar. Sie genießt es, den Leser zappeln zu lassen, bis alles in einem gewaltigen Showdown endet. Doch bis es soweit ist, muss man sich auf einige Twists und Überraschungen gefasst machen.

Nora Schwarz kann hervorragend mit Worten spielen. Ich empfinde ihre Bücher nicht als reine Unterhaltung sondern genieße auch ihren Umgang mit der Sprache. In diesem Fall hat der Verlag leider einiges zerstört, sei es der schwierige Lesefluss durch fehlende Absätze, inflationärer Gebrauch von Kommata oder schlechtes Korrektorat. Das ist jedoch nichts, was ich einem Autor ankreide, der Punktabzug geht eindeutig an den Verlag.

Sie selbst dagegen nutzt ihre Worte als Werkzeug, sie umschmeichelt den Leser, führt ihn mal sanft, mal brutal an der Leine, und im passenden Moment schafft sie es, mit nur einem Satz, einem Wort wie ein Donnerschlag zu schockieren. So punktgenau zu treffen ist nur möglich, wenn Sprache über den reinen Gebrauch von Worten hinausgeht, wenn sie bewusst eingesetzt wird. 

Passend dazu eine Aussage, die sie auf Facebook gepostet hat (danke, dass ich das hier verwenden darf): "Es gibt für mich nichts Erfüllenderes als so eine Lesung. Egal wie viele Menschen da vor mir sitzen, allein die Situation ist wunderschön. Ich bin zum Geschichtenerzähler geboren, das merke ich immer wieder. Und in solchen Momenten fühle ich eine solche Macht .... eine viel größere Macht als damals in der Zeit, als ich noch als Domina gearbeitet habe....Dann fühle ich, dass ich genau auf dem richtigen Weg bin." Dem kann ich nichts hinzufügen und damit möchte ich meine Rezension abschließen ;-)

SaschaSalamander 21.03.2014, 08.46 | (0/0) Kommentare | PL

Mindnapping 15 - Einsamer Anruf

Eine junge Frau bewirbt sich als Mitarbeiterin bei einer erotischen Hotline. Sie erfährt so manches über die Abgründe der menschlichen Lüste. Doch dann hat sie plötzlich einen Anrufer am Apparat, der deutlich zu weit geht. Und aus den Telefonaten wird eine reale Bedrohung. 

Autor dieser Folge ist André Minninger. Ich war im ersten Moment irritiert, kannte ich ihn doch nur von den Fragezeichen und somit als Schreiberling für Kinder- bzw Jugendserien. Und tatsächlich ist die vorliegende Folge von Mindnapping sein erster Ausflug in die Welt der Erwachsenenhörspiele. Noch dazu ein ziemlich gewagter, wenn man sich das Thema ansieht ;-)

Die Geschichte beginnt mit ziemlich vielen Erklärungen, die Einleitung ist ungewöhnlich lang, bevor dann tatsächlich der Thrill auftritt. Trotzdem empfand ich diese Einleitung nicht als langweilig (wenn auch für die Reihe Mindnapping untypisch) sondern habe mich gut unterhalten, als die ersten Telefonate geführt wurden und der Hörer in das Setting eingeführt wurde. Dann kommt es zur ersten Begegnung mit dem Antagonisten, die Lage spitzt sich immer mehr zu, und dann am Höhepunkt der typische Twist. 

Zugegeben, der Twist kommt überraschend, aber so ganz überzeugt hat er mich nicht. Es ist zwar, wenn man es ein wenig dreht und ein Auge zudrückt in sich schlüssig, jedoch wirkt es leider ein wenig konstruiert, nicht so ganz stimmig zum Rest der anfangs sehr gelungenen Folge. Die Geschichte bot insgesamt sehr viel Potential, das im Moment der Wende dann leider verschenkt wurde. Es hätte eine pfiffige, heiße und packende Story sein können, wird mit dem Hintergrundwissen beim weiteren Hören dann allerdings etwas flach und geradlinig. 

Interessant finde ich, wie das Thema Erotik und Hotline hier angegangen wird. Anfangs dachte ich, es würde ähnlich wie bei Dopamin ordentlich zur Sache gehen, aber das ist hier nicht der Fall. Minninger lotet zwar einige Untiefen aus, überlässt es jedoch der Phantasie der Hörer, was sie sich nun darunter vorstellen. Der Blick hinter die Kulissen der Erotikhotlines ist zwar fiktiv, jedoch kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es so tatsächlich ablaufen könnte. Sex als Ware, das wird hier sehr schön präsentiert. 

Gut finde ich auch, wie die Handlung diesmal erzählt wird. Da EINSAMER ANRUF vor allem vom Telefonieren handelt, wird die Geschichte sehr dialoglastig erzählt. Wenig Actionsequenzen, kein Gerenne, Geschrei. Was geschieht, erfährt man allein aus dem Gespräch der Mitarbeiter untereinander. Das kommt mir sehr gelegen, entspricht genau meinem Stil und hat mir sehr gefallen. Ich kann mir vorstellen, dass das manchen Hörern aufstoßen könnte, weil man mit Hörspielen ja doch eine Handlung mit mehr Soundkulisse erwartet, aber ich finde es schön, dass Mindnapping immer wieder neue Wege geht und mit ungewöhnlichen Ansätzen experimentiert. Ich finde, das ist hier diesmal absolut gelungen!

Die Sprecher sehe ich dieses Mal etwas gemischt. Michael von Rospatt bringt seinen Part herrlich widerlich rüber, er ist eine große Bereicherung für diese Folge. Bekannte Sprecher wie Robert Missler, Luise Lunow oder Martin Sabel in kleinen Nebenrollen verleihen diesmal die gewisse Würze. Anja Topf und Gabi Libbach, hm, sie machen ihre Sache nicht schlecht, aber es fehlt ein wenig Feuer. Gerade, weil die aktuelle Episode extrem dialoglastig ist, wäre da ein bisschen mehr Einsatz wünschenswert gewesen. Es liegt zum Teil allerdings auch an den Rollen, die extrem schwer zu verkörpern sind, die skrupellose Chefin kommt sehr gefühlskalt beim Hörer an, das ist Absicht für die Story, für die Umsetzung jedoch etwas monoton. Auf den Twist der Mitarbeiterin kann ich nicht eingehen, diesen kann sie jedoch sehr gut darstellen. Im Nachhinein wirkt die Unschuld einerseits, das professionelle Auftreten andererseits sinnig, beim ersten Hören allerdings wirkt es sehr gekünstelt. Liegt in diesem Fall jedoch an der Rolle, nicht an der Sprecherin, das ist einfach verdammt schwer umzusetzen. 

Die Musik fügt sich für meinen Geschmack sehr gut in das Hörspiel, sie fiel mir nicht negativ auf, hat die Story nicht überlagert und konnte eine gute Atmosphäre vermitteln. 

Jede Folge bei Mindnapping ist ein neues Experiment, sei es mit Crossover, neuem Autor, ungewöhnlichem Konzept oder einer anderen Überraschung. Da ist es logisch, dass man stets unterschiedliche Hörergruppen anspricht. Was mich betrifft, ich fand EINSAMER ANRUF sehr unterhaltsam. Stellenweise recht spannend, wenn auch nicht schlafraubend. An meine liebsten Folgen kommt es nicht ganz heran, insgesamt aber hat es mir wieder gut gefallen. Besonders die ungewöhnliche Erzählweise ist hervorzuheben und interessant zu hören.

SaschaSalamander 18.03.2014, 09.13 | (0/0) Kommentare | PL

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey

Der Titel "SCHANTALL, TU MA DIE OMMA WINKEN" klang vielversprechend, hatte mich jedoch immens enttäuscht. Weil es so dargestellt wurde, als würde ein Sozialarbeiter aus seinem Alltag mit einer Familie erzählen. De facto handelte es sich dann aber um fiktive Situationen, in denen abgelästert wurde und die mit sozialer Arbeit null und nada zu tun haben. Ich fühlte mich ziemlich, pardon, verarscht. 

"Die Schackeline ist voll hochbegabt, ey" springt mit Titel, Inhalt und leider auch Cover genau in diese Bresche. Ich war also einerseits neugierig ("vielleicht taugt es ja doch was") und andererseits extrem vorsichtig, um eine weitere Enttäuschung zu vermeiden. Dank Leseprobe bei Skoobe konnte ich einen Blick in das Buch werfen, und mir war schnell klar: hier würde ich das bekommen, was Schantall versprochen aber nicht gehalten hatte: Erfahrungen einer Fachfrau, die ihren skurillen Alltag für den Leser einfängt. 

Die Autorin ist psychologische Gutachterin beim Jugendamt. Ihre Aufgabe ist es, die Familie im Umgang mit den Kindern zu beobachten, auch Gespräche zu führen und dann eine Stellungnahme vor Gericht abzugeben, ob eine Kindswohlgefährdung vorliegt. Dabei erlebt sie traurige, humorvolle, absonderliche, völlig abgefahrene und auch höchst tragische Momente. 

Ich kann mir vorstellen, dass so manch einer, der mit der Materie nicht vertraut ist, das für erfunden hält. Wenn sie die hygienischen Zustände in der Obdachlosenwohnung beschreibt, die unwirkliche Gesprächsführung mit manchen der "normalen" Kommunikation nicht fähigen Menschen schildert, die verqueren Argumentationen einiger Familien widergibt. Aber da ich selbst viel mit diesen Dingen konfrontiert werde, kann ich aus vollem Herzen sagen: "oooh ja, genau SO ist es manchmal". 

Natürlich werden nur die extrem Fälle herangezogen, sonst wäre ein Buch ja nicht lohnenswert. Es gibt sie, die gesunden und normalen Familien, wo alles glatt läuft. Aber viel spannender ist es, was Frau Seeberg sonst zu erzählen hat. Etwa von dem Vater, der völlig hilflos außer "wie fühlst Du Dich" nichts hervorbringt, während seine Kinder ihn mit Tritten traktieren, die Bude zerlegen und Sachen aus dem Fenster werfen. Oder der Mann, der von seiner Mutter bevormundet wird wie ein kleines Kind und alleine nicht in der Lage ist, sich um den eigenen Nachwuchs zu kümmern. 

Es gibt Geschichten, die auch traurig sind und zu Tränen rühren. So etwa die beiden Geschwister, eines davon minderjährig. Sie wuchsen in völlig gesunden Verhältnissen auf, doch als die Mutter verstirbt, verlangt der Vater das Sorgerecht. Das Kind will auf keinen Fall zum Vater, doch Unsympathie und Arroganz ist kein Argument für eine Kindswohlgefährdung, und allem Widerwillen des Kindes zum Trotz scheint es keine andere rechtliche Lösung zu geben. Und dann war da der Fall des Mannes, der Frau und Kind bedroht, jedoch auf eine solch perfide Weise, dass ihm nichts nachzuweisen ist und er mit seinen fiesen Intrigen das Sorgerecht womöglich an sich reißen wird. 

Gelegentlich geht sie auch mit Kollegen bitterböse ins Gericht, etwa wenn das Jugendamt einen tragischen Fehler begangen hat und dadurch das Leben zweier Familien zerstörte. Dieser Fall ging mir persönlich besonders nahe, und ich fand es wunderschön, wie am Ende doch eine Lösung gefunden werden konnte, um allen Parteien gerecht zu werden und trotz der Streitigkeiten vieler Parteien das Wohl des Kindes zu wahren. 

Ich habe bei jedem der Fälle mitgebangt, mitgelacht, war verzweifelt, traurig, wütend. Es gelingt der Autorin, den Leser zu bewegen und tief in die Geschichten einzutauchen. Ihr Stil zeigt, dass sie Fachkenntnis besitzt, jedoch wird der Leser nicht mit Fachausdrücken oder langweiligen Erklärungen erschlagen. Statt dessen erklärt sie wie nebenbei manche der Zusammenhänge. Und würzt ihre Erlebnisse mit einem trockenen Humor, der manchem Außenstehenden unpassend erscheinen mag. Doch in ihrem Vorwort erklärt sie bereits, dass dieser Humor notwendig ist, um einen solch belastenden Job weiterhin auszuführen. Ich habe oft gelacht, die Metaphern sind teilweise sehr treffend und unterstreichen die Absurdität der jeweiligen Situation. Auch der an manchen Punkten knochentrockene beschreibende Ton, wenn um sie herum gerade das Chaos tobt, ist köstlich. Ohne diesen manchmal sehr eigenwilligen Humor wäre das Buch so wohl nicht zu ertragen, wäre es zu heftig in den Fallschilderungen.

Schön finde ich auch, wie sie im Anschluss oft darauf eingeht, wie die Geschichte sich im späteren Verlauf entwickelt hat. Was aus den Kindern wurde, wie man den Eltern unter die Arme gegriffen hat. Und meistens haben die Geschichten ein Happy End. 

DIE SCHAKKELINE IST VOLL HOCHBEGABT, EY hält das, was SCHANTALL verspricht. Ich habe das Buch von Frau Seeberg schon vielen Kollegen empfohlen, weil es einfach ein Buch direkt aus dem Leben, aus dem Berufsalltag ist und sich dabei sehr gut lesen lässt. Unterhaltsam, schockierend, bewegend und wirklich gelungen.

SaschaSalamander 12.03.2014, 08.42 | (0/0) Kommentare | PL

Kinderland 01 - Ein Unwetter zieht auf

ShitShitShit, kompletter Beitrag weg, ich könnte fluchen wie ein Rohrspatz und bin stinksauer! Ich HASSE es, einen Text doppelt zu schreiben, ich hasse es mich zu wiederholen. Also lasse ich das, die Rezension ist somit futsch. Tut mir verdammt leid für den Autor, denn er hat eine ausführliche Rezi wirklich verdient. Aber immerhin, es ist eine Serie, und ich werde die weiteren Titel ebenso ausführlich rezensieren. 

Aber hier diesmal nur Stichpunkte *narf* (war echt ne schöne Rezi *heul*)

- Serial-Novel, neuer Begriff, vermutlich ist "Fortsetzungsroman" zu langweilig"

- Charaktere sehr spannend gehalten, jedoch in der Umsetzung etwas misslungen. Durch fehlenden Absatz (ggf Problem bei der Umwandlung in Ebook-Format) allerdings Perspektive gelegentlich fehlerhaft

- spielt in drei bzw vier verschiedenen Zeitebenen. Spannend, gelegentlich jedoch verwirrend. Nicht wegen der Ebenen sondern durch die unterschiedliche Verwendung von Namen (ein Prota hat einen Spitznamen, Vornamen als Kind, Nachname als Erwachsener) und die Ungewissheit um die Handlung. Hätte etwas klarer getrennt werden müssen. Charaktere heben sich stellenweise nicht deutlich genug voneinander ab (dadurch weniger Identifikation mit ihnen und weniger Bindung an Story)

- erinnert gelegentlich in Atmosphäre und Stil an King (besonders STAND BY ME und ES), ist jedoch keine platte Kopie sondern als eigenständiger Titel zu betrachten

- Autor hat einen sehr eindringlichen Stil, mit dem er eine dichte Atmosphäre erschafft. Neologismen. Aufzählungen. Lässt gelegentlich Andeutungen und Sätze fallen, die wie nebenbei jedoch perfekt zur Atmosphäre beitragen. Sehr düster und angenehm gruslig.

- Story noch unklar, wird sich vermutlich im Laufe der nächsten Bände herauskristallisieren

- gelegentlich musste ich Absätze zweimal lesen. Lag in dem Fall aber vermutlich nicht an mir, sondern an (noch) etwas unsicherer Erzählweise des Autors, der gelegentlich nicht ganz klar macht, wo man sich befindet und um was es eigentlich geht. Ausbaufähig

- Fazit: perfekt inszenierte Geschichte mit toller Atmosphäre, macht neugierig auf mehr, hat noch gewisse Schwächen aber auch sehr viel Potential. Lesetipp!


SaschaSalamander 05.02.2014, 08.51 | (0/0) Kommentare | PL

Leide

AUTOR

Siegfried Langer fiel mir damals durch das Buch >VATER MUTTER, TOD< auf, das mich restlos begeisterte. Auch der Nachfolger >STERBENSWORT< hatte mir gefallen. Auf LEIDE war ich nun also neugierig, was ihm diesmal eingefallen war, um seine Leser zu unterhalten. 


INHALT

Die Geschichte handelt von einer Privatdetektivin, die von der schrulligen Nachbarin einen vermeintlich harmlosen Auftrag erhält. Dieser bringt sie jedoch in Lebensgefahr. Auch handelt LEIDE von dem jungen Polizisten, der aus privaten Gründen nach Berlin versetzt wird und mit seinem ersten Fall sofort mit einem brutalen Mord konfrontiert wird. Und dann ist dann ist da noch der Täter, dessen Handeln und Motive nach und nach aufgerollt werden.


AUFBAU

Der Prolog beginnt ziemlich brutal mit einem Kind, das eine Fliege quält. Es liest sich unangenehm, und schon hierbei verzieht der Leser schmerzerfüllt das Gesicht, leidet mit dem armen Tier. Der Blick des Jungen zur Katze lässt den Leser Schlimmes ahnen und bereitet ihn darauf vor, was geschehen wird, wenn dieses Kind erwachsen ist und das Quälen von Tieren nicht mehr die gewünschte Befriedigung verspricht ... 

Das Buch selbst springt zwischen den Charakteren hin- und her. Keine Besonderheit, das machen viele Romane. Was allerdings eher ungewöhnlich, beinahe schon ein Markenzeichen für Langer ist, das ist der Wechsel zwischen den Zeitebenen. Pfingsten, Mai, Juni, irgendwann in der Vergangenheit, unchronologisch erzählt und dadurch zu Beginn etwas verwirrend.

Da der Täter jedoch bekannt ist und sich die einzelnen Puzzleteile schnell zusammenfügen, ist es hier eine nette Umsetzung, jedoch nicht mehr das Nonplusultra, das es in den vorherigen Bänden war. Die Handlung ist dem Leser recht schnell klar, nur die Frage, wie es dazu kam und welches das Motiv des Täters ist, bleibt bis kurz vor Ende offen. 


CHARAKTERE

Die Charaktere scheinen darauf angelegt, weitere Krimibände folgen zu lassen. Sie entwickeln sich im Laufe der Handlung, der Leser erfährt einiges über ihr Privatleben, und gegen Ende werden einzelne Stränge verknüpft, sodass man sie zukünftig gut gemeinsam agieren lassen kann. Und ein erster Konflikt ist bereits vorprogrammiert, denn der nette Bestattert von nebenan kommt als möglicher Partner ebenso in Betracht wie der Polizist. Auch die Familienangehörigen bieten sehr viel Raum für weitere Geschichten. Und vor allem sind alle sehr sympathisch, haben zwar ihre Macken aber sind nicht ganz so tragisch und depressiv wie in den von fast allen (mir nicht) geliebten skandinavischen Thrillern. Bei Langer gibt es gelegentlich noch ein Schmunzeln, sehr viel Selbstironie und witzige Momente. Eben der alltägliche Wahnsinn im menschlichen Miteinander.

So ungern ich Fortsetzungen lese, aber hier schreit alles gerade zu danach, und ich würde mich sehr freuen, falls Langer weitere Ideen zu Papier bringt.


STIL

Der Stil hat mich wenig überrascht, da bleibt Langer sich treu: unterhaltsame Kost, die flink zu lesen ist und nach einem anstrengenden Tag nette Abwechslung bietet, ohne den Leser zu überfordern. Schlichte Sätze, keine weiteren Fremdwörter, nur wenige Grundzutaten. Also perfekt für zwischendurch, ich hatte mich bereits zu Recht wieder darauf gefreut und es sehr genossen. 

Besonders gefällt mir, wie Langer mit den Erwartungen der Leser spielt und diese dann binnen eines Satzes in Stücke reißt. Gelegentlich ist laterales Denken gefordert: die Dinge nicht einfach automatisch ergänzen sondern wirklich genau lesen, was tatsächlich gesagt wurde. So habe ich mich zum Beispiel köstlich über die erste Szene amüsiert, in der eine Mutter ihrem Kind das Pausenbrot für den Tag bereitet. Köstlich! Ich mag es, wenn Autoren mit dem Gehirn Katz und Maus spielen :-)

Was ungewöhnlich ist, das ist dieses Mal die Brutalität, mit der der Täter vorgeht. Die anderen Bücher gingen ja schon nah, hier jedoch ekelte es mich stellenweise. Weniger wegen blutrünstiger Momente (die gab es, wurden jedoch erfreulicherweise nicht ausgeschmückt) als vielmehr die psychische Folter, die der Täter anwendet. Er ist ein Teufel in Menschengestalt, das wird sehr gut transportiert, einem solchen Menschen möchte niemand begegnen ... 


FAZIT

LEIDE ist wieder ein gelungener Roman von Siegfried Langer, der auf weitere Fälle der Ermittler hoffen lässt. Flink zu lesen, sympathische Charaktere und vor allem atemlose Unterhaltung. Perfekt für einen verregneten Nachmittag im Lesesessel ...


Wertung: 9 von 10 Internetdates

SaschaSalamander 03.02.2014, 08.16 | (0/0) Kommentare | PL

Der Bilderwächter

KLAPPENTEXT: Zwei Jahre lang hatte Jettes Freundin Ilka den Nachlass ihres berühmten Bruders nicht angerührt. Als sie nun das erste Mal die Bilder von Ruben in Augenschein nimmt, ist es, als hätte sie die Büchse der Pandora geöffnet. Ein Mitarbeiter von Rubens Nachlassverwalter wird tot aufgefunden und ein unglaublicher Medienrummel bricht über Ilka herein. Jette und Merle ermitteln im Wettlauf gegen die Zeit, denn auch Ilka scheint in großer Gefahr zu sein. 

Die große Stärke der Autorin ist es, lebendige Charaktere zu erschaffen und durch wechselnde Perspektiven eine vielschichtige Geschichte zu erschaffen, in welcher der Leser hautnah am Geschehen dabei ist. Man leidet und fiebert mit ihnen und kann sich alles so realistisch vorstellen, als wäre es tatsächlich geschehen. 

Aber, das große Manko: der Grat ist sehr schmal, auf dem Autoren mit diesem Erzählstil wandeln, und diesmal ist es leider gekippt. Das hat verschiedene Gründe: 

Das Buch ist die Fortsetzung des Titel DER MÄDCHENMALER. Ich wusste, dass die Titel der Autorin durch die Protagonisten zusammenhängen. Allerdings ist es üblich, dass die Bücher einer solchen Reihe auch einzeln gelesen werden können. Ich las also ohne Vorkenntnis des Vorgängers. Was dort geschehen ist, wurde so widergegeben, dass ich die Hintergründe verstehen konnte. Manche Dinge wurden immer und immer wieder erklärt, sodass die stete Wiederholung selbst mich als Neuling zu langweilen begann. Ich kann mir vorstellen, dass ein Leser des MÄDCHENMALERS dies klar als Zuviel ansieht. Andere wichtige Dinge dagegen wurden nicht erläutert, sodass ich stellenweise das Gefühl hatte, mir fehlen grundlegende Informationen für das Verständnis. Allerdings kann ich nicht sagen, ob dies an der Autorin lag oder den Kürzungen des Hörbuches geschuldet ist. Es ist eine Fortsetzung, die man ohne den Vorgänger also nicht lesen sollte. Von daher tut es mir leid, ein Buch zu bewerten, an das ich mit falschen Voraussetzungen herangegangen bin. 

Ein weiteres Problem, das sich mir auftat: die vielen Perspektiven. Inzwischen bin ich dank Feth und Wolf gewohnt, dass ich mit unzähligen Charakteren erschlagen werde, und finde es sogar recht angenehm und vielschichtig. Eine Erzählweise, die viel Fingerspitzengefühl erfordert und beide meisterlich beherrschen. Das Problem bei diesem Buch allerdings ist, dass die einzelnen Abschnitte teilweise zu kurz sind und die Sprünge zu verschwommen. Es war mir dieses Mal nicht möglich, mich in Charaktere einzufinden, da es oft zu schwer war, sie auseinanderzuhalten und als getrennte Figuren zu erachten. 

Abgesehen von den extrem kurzen Kapiteln lag dies allerdings auch daran, dass ich mit den Sprechern Probleme hatte. Die Sprecher an sich (Julia Nachtmann, Regina Lemnitz und Jacob Weigert) leisten sehr gute Arbeit. Schwierig ist jedoch, dass teilweise Männer von einer Frauenstimme gesprochen werden und dass vor allem ein Charakter von verschiedenen Sprechern vorgetragen wird. Es wird scheinbar nicht charakterbezogen vorgetragen sondern kapitelweise. Das macht es einem Hörer, der die Charaktere rund um Jette und Merle nicht kennt (ich kannte bisher nur Romy), verdammt schwer. 

Während die anderen in der dritten Person geschildert sind, wird Jette als Ich-Erzähler eingesetzt. Was mich sehr irritiert, denn sie hat in diesem Roman eine meiner Ansicht nach sehr kleine Rolle, das Gewicht liegt zu stark auf anderen Charakteren, als dass ich sie als Protagonistin erkennen könnte. 

Die Handlung entspricht nicht unbedingt einem Thriller, eher einem Drama mit Mord und gegen Ende actionreicher Handlung. Da ich die Charaktere nicht kannte und mich durch die ständigen Wechsel auch nicht in sie einfinden konnte, vermochte ich somit auch nicht mit ihnen mitfiebern, sodass ich gerade auf den ersten drei CDs eine gewisse Spannung vermisste und mich ... naja, "durchkämpfen musste" wäre zuviel, aber es fiel nicht gerade leicht. 

Von daher war DER BILDERWÄCHTER für mich leider ein eher enttäuschender Titel. Allerdings kann ich nicht sagen, ob es an meiner Unkenntnis des Vorgängers sowie der Merle / Jette - Romane liegt, ob die ungünstige Verteilung der Sprecherrollen  sowie missglückte Kürzungen dafür verantwortlich sind, oder ob es ein ausnahmsweise schwächerer Roman der Autorin ist. 

Ich werde ihre Titel weiterhin gerne lesen, denn ihre Bücher strahlen eine große Herzlichkeit aus, und die Charaktere agieren sehr menschlich und wirken so realistisch, als würde ich sie persönlich kennen. Dass es diesmal nicht geklappt hat, naja, das kommt vor. 

Wer den MÄDCHENMALER kennt, sollte die Fortsetzung auf jeden Fall lesen, er wird weniger Schwierigkeiten damit haben als ein Neuling und wird sich freuen, den alten Freunden wieder zu begegnen. Wer die Romane um Jette und Merle nicht kennt, sollte besser erst andere Werke der Autorin greifen ;-)

SaschaSalamander 20.01.2014, 09.40 | (0/0) Kommentare | PL

Einträge ges.: 3848
ø pro Tag: 0,6
Kommentare: 2804
ø pro Eintrag: 0,7
Online seit dem: 21.04.2005
in Tagen: 6951
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3